Todeshunger
einem Terrassenbau, kennen Sie den Zuschnitt? Ich weiche von der Küche zurück und bete, dass mich der Killer nicht sieht. Ich habe das Wohnzimmer halb durchquert, als er sich bewegt. Wir hatten einen Schrank unter der Treppe, mit einer Lamellentür. Ich lasse mich auf Hände und Knie nieder, krieche hinter dem Sofa zu diesem Schrank und schließe mich ein. Und das Schlimmste ist, da drin kann ich immer noch alles klar und deutlich sehen. Ich sehe, wie der Mann über den Leichnam meiner Frau steigt und ins Wohnzimmer kommt. Der Dreckskerl hat geweint wie ein Baby. Ich weiß nicht einmal mehr, wie er ausgesehen hat, nur noch, dass er heulte und schluchzte, als hätte er seine Familie gerade tot aufgefunden. Ich vermute, die Veränderung hatte ihn eben erst erwischt. Es schien, als würde er bedauern, was er angerichtet hatte, als würde er überlegen, was aus ihm geworden war und wie er damit fertig werden könnte. Sagen Sie mir, Danny, war es bei Ihnen genauso?«
Ich denke an die nervöse Panik und Verwirrung, die
ich empfand, als ich Harry getötet hatte, aber das sage ich ihm nicht. Mallon wischt sich wieder die Augen ab und fährt fort.
»Jedenfalls beruhigte er sich nach einer Weile. Er setzte sich in meinen Sessel, als wäre es seine Wohnung, und sah fern. Holte sich sogar zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank. So blieb er Stunden sitzen, während ich in dem Schrank ausharrte, so wie Sie jetzt hier ausharren müssen. Nur müssen Sie nicht die verstümmelten Leichen der Menschen ansehen, die Sie am meisten auf der Welt geliebt haben, richtig?«
Eine gewisse Verbitterung klingt aus seiner Stimme, aber ich reagiere immer noch nicht. Ich frage mich nur, wie lange diese jämmerliche Geschichte noch dauern mag.
»Schließlich stand er einfach auf und ging. Sah sich nicht einmal im Rest des Hauses um, sondern ging einfach hinaus, und ich brachte nicht den Mut auf, ihn aufzuhalten oder zurückzuschlagen. Ich wollte bei meiner Familie bleiben, konnte ihren Anblick aber einfach nicht ertragen.«
Wenn sie Unveränderte waren, mussten sie sterben. So einfach ist das. Ich überlege gerade, ob ich ihm das sagen soll, als er wieder das Wort ergreift.
»Wie schon gesagt«, fährt er ein wenig gefasster fort, »das alles haben Sie sicher schon gehört. Aber als es geschehen war, kam ich zu dem Entschluss, dass Ihresgleichen damit nicht ungestraft davonkommen würde, und suchte nach Rache. Schwer zu glauben, wenn man mich so ansieht, aber ich zog wirklich auf die Straße und suchte Ärger. Dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, dass das so nicht läuft. Ich geriet in alle möglichen unangenehmen
Situationen. Getötet habe ich niemanden, aber ein paar Mal wäre ich um ein Haar selbst gestorben … Sie können sich sicher vorstellen, wie es war. Ich schloss mich einer Art Bürgerwehr an. Ein paar Mal sah es wirklich schlecht aus, und wissen Sie, warum? Weil die Leute glaubten, wir wären wie ihr! Die sahen, dass wir versuchten, uns zu wehren, und hielten uns für Hasser! Nach zwei Wochen hörte ich auf, dachte gründlich nach und kam zu dem Ergebnis, dass sie recht hatten. Es gab wirklich kaum einen Unterschied zwischen uns und Leuten wie Ihnen. Und ich dachte an den Mann, der meine Frau und Tochter getötet und geweint hatte, und da begriff ich. Er wollte sie gar nicht töten, er glaubte, dass er es tun musste.«
Joseph steht von dem Stuhl auf und geht zum Fenster, achtet aber darauf, dass er außerhalb meiner begrenzten Reichweite bleibt. Er stellt sich auf die Zehenspitzen und sieht hinaus.
»Und das bringt mich zum wichtigsten Teil der heutigen Predigt«, sagt er grinsend. »Passen Sie gut auf, Danny, das müssen Sie sich jetzt genau anhören! Sehen Sie, als ich nicht mehr kämpfte, wurde das Leben wieder besser. Für Sie hört sich das vielleicht wie ausgemachter Blödsinn an, aber es stimmt. Ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass es nie wieder besser werden würde, da nichts und niemand mir Jess und Keisha zurückbringen konnte, aber mir wurde klar, dass Rache keine Lösung ist. Man kann Feuer nicht mit Feuer bekämpfen, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.«
Er geht vom Fenster weg und die ganze Länge des kleinen Raums auf und ab.
»Dann fand ich die Leute hier, die alle zur selben Schlussfolgerung gelangt waren wie ich. Und mir wurde
klar, es spielt keine Rolle, wieso und weshalb dies alles passiert ist, es kommt nur darauf an, dass wir es beenden, ehe es zu spät ist. Und das machen wir. Wir
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