Todeshunger
Zusammenarbeit verweigere und hier in der endlosen Dunkelheit dahinsieche? Dann sehe ich Ellis nie wieder. Die Möglichkeit besteht, dass ich sie sowieso nicht finde, aber eins steht unumstößlich fest: Wenn ich hier drinnen eingesperrt bleibe, sehe ich sie garantiert nie wieder.
Und ich muss essen und trinken. Der Hunger tut weh.
Ich mache es.
Ich räuspere mich, besinne mich.
Wieder Unentschlossenheit.
Tatsache – was nütze ich Ellis in diesem Zustand?
Jemand muss nachgeben.
Ich versuche zu rufen, doch meine Stimme klingt heiser, ich bringe fast keinen Ton heraus, nur ein jämmerliches, ersticktes Winseln. Einen Moment bin ich erleichtert, dann sage ich mir wieder, dass ich es tun muss. Aber jetzt bekomme ich nicht einmal mehr genügend Spucke im Mund zusammen, um einen vernünftigen Laut von
mir zu geben. Frustriert versuche ich es erneut, diesmal etwas lauter. Ich schaffe etwas, das halb wie ein Husten und halb wie ein Wort klingt, und wünsche mir augenblicklich, ich hätte es nicht getan. Ich fühle mich wie ein Verräter, der mit dem Feind kollaboriert. Vielleicht ist es das? Kann es sein, dass die Leute von Chris Ankins dieses Haus leiten? Stellen sie meine Loyalität auf die Probe?
Ich warte und horche hoffnungsvoll. Trotz des tröpfelnden Wassers höre ich Kampfhandlungen in der Ferne, vereinzelt Gewehrfeuer und Kanonenschüsse, einen Düsenjäger am Himmel. Aber der Rest dieses Gebäudes ist ruhig, stiller denn je. Bin ich der Einzige hier? Gut möglich, dass dies der letzte Raum mit Bewohner in einer verfallenen Ruine ist. Joseph Mallon ist vielleicht schon längst fort …
Ein weiterer Ruf, diesmal so laut, dass es mir vorkommt, als würde er mir die Kehle zerfleischen.
Ich liege eiskalt auf dem Bett, rieche nach Pisse und fühle mich elend. Bin ich wirklich dumm, naiv und verzweifelt genug zu glauben, dass Mallon zurückkommt und mir etwas zu essen gibt? Ich rufe wieder, diesmal vorwiegend aus Frustration, dann verstumme ich. Habe ich gerade etwas gehört? Es ist so leise und schwach, dass ich es als Einbildung abtue. Doch dann ertönt es wieder … definitiv Schritte, die näher kommen. Ich verspüre zu gleichen Teilen Angst und Erleichterung.
Joseph Mallon stolziert mit einer Lampe in den Raum. Er leuchtet mir damit ins Gesicht.
»Haben Sie etwas gesagt?«
Sofort schnüren mir Emotionen die Kehle zu; ich bin so wütend und voller Hass, dass ich nicht antworten kann. Er winkt mit der Taschenlampe zu dem Essen auf dem Stuhl.
Es ist jetzt kalt, aber ich will es immer noch. Im Licht funkelt das Wasser und sieht klar und rein aus. Er geht zum Fenster hinter mir, blickt einen Moment hinaus, dreht sich um und leuchtet mir wieder mit der Lampe ins Gesicht.
»Ich dachte, Sie hätten etwas gesagt.«
Ich kann immer noch nicht sprechen. Die Worte bleiben mir im Hals stecken und ersticken mich. Es ist, als wäre der Gurt über meiner Stirn zum Hals gerutscht, wo er mich am Sprechen hindert. Ich möchte, kann aber nicht …
»Mein Fehler«, seufzt Mallon. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe.«
Er geht wieder zur Tür hinaus.
»Nicht …«
Als er meine Stimme hört, bleibt er stehen. Er dreht sich um und blickt mich an. Im schwachen, gelblichen Licht der Taschenlampe sieht er älter und müde aus, doch seine Miene wandelt sich langsam von einem Stirnrunzeln zu einem Lächeln, das zum breiten Grinsen wird.
»Guter Junge! Ich wusste, dass Sie es schaffen!«
Sonst sagt er nichts. Er versucht nicht, wie ich dachte, mich zum Reden zu bringen. Er versucht keines seiner albernen Spielchen mehr. Stattdessen greift er zu der Plastikflasche mit Wasser und spritzt es mir in den Mund. Es schmeckt so gut … abgestanden und warm, aber erfrischend. Ich schlucke und spüre, wie es mir seitlich am Hals hinunterläuft. Gott sei Dank …
Als die Flasche leer ist, macht Mallon das Gleiche mit der kalten Suppe und gibt mir ein paar Löffel voll. Fast muss ich würgen, weil sie so kalt, klumpig und geronnen ist, aber ich zwinge sie hinunter, da ich weiß, dass jeder Schluck die Nährstoffe und die Energie bringt, die ich
verloren habe, seit ich hier bin. Als ich gegessen habe, lockert er die Ketten an meinen Handgelenken ein klein wenig. Sie sind immer noch am Bett festgebunden, aber wenigstens kann ich sie jetzt etwas bewegen. Die Erleichterung, die ich verspüre, als ich endlich Schultern und Arme bewegen kann, ist unglaublich.
»Das hat doch nicht wehgetan, oder?« fragt er grinsend, dann geht er
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