Todesinstinkt
einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, um sich schließlich abzuwenden und in die Dunkelheit zu fliehen.
Im nächsten Augenblick hörte Younger ein Klatschen
und einen erstickten Schrei. Unmittelbar darauf traten Hans’ stämmige Freunde in den Lichtkegel der Laterne. Sie hatten Colette gepackt, die sich nach Kräften sträubte, ohne dass ihre Füße den Boden berührten. Anscheinend war sie direkt mit ihnen zusammengestoßen. Einer der Kerle hielt ihr mit seiner dicken Pranke den Mund zu; der andere drückte ihr die eigene Waffe in die Rippen.
Gruber erhob sich. Nachdem er ausgespuckt und sich die Nase am Ärmel abgewischt hatte, nahm er seinem Kumpan die Pistole ab. Mit einer wüsten Beschimpfung versetzte er Colette eine Ohrfeige und schob ihr die Waffe in den Mund.
Younger hatte genug gesehen. »Lass sie sofort los, Gruber! « Wütend rüttelte er an den Gitterstäben.
Erschrocken fuhren die Männer zusammen. Sie hatten seinen Schrei gehört, konnten ihn aber nirgends entdecken. Gruber wirbelte herum und fuchtelte blind mit der Pistole in Youngers Richtung.
»Wir holen dich, Gruber«, brüllte Younger. »Und wenn wir dich haben, reißen wir dir das Herz aus der Brust und stopfen dir damit das Maul!«
Younger hatte natürlich gelogen; es gab kein »wir«. Das dachte er zumindest, bis eine kleine Gestalt heranjagte und sich zwischen die Gitterstäbe quetschte, die für einen Mann zu eng standen, nicht aber für einen Jungen. Gerade noch rechtzeitig bekam Younger Luc an der Lederjacke zu fassen. Seine Füße drehten sich wie ein Schwungrad und klatschten auf den Boden, aber er kam nicht weiter.
Dieses Schrittgeräusch blieb allerdings nicht ohne Wirkung. Offenbar in dem Glauben, dass Jagd auf ihn gemacht wurde, rannte Gruber zum Parktor und winkte seinen Kumpanen, die Frau mitzubringen. Die zwei gehorchten sofort
und schleppten Colette hinter sich her. Younger riss Luc durch den Zaun zurück, warf ihn sich über die Schulter und stürmte ebenfalls los. Er hatte es weiter, aber er war fast genauso schnell bei seinem Motorrad wie Gruber und seine Begleiter bei ihrem Automobil.
»Wenn ich dir sage, dass du irgendwo bleiben sollst, dann bleib, verdammt.« Grob stopfte Younger Luc zurück in den Beiwagen, doch diesmal klemmte er auch Arme und Schultern unter die Abdeckung, so dass er sich nicht mehr herauswinden konnte. »Tapferer kleiner Kerl.«
Younger warf das Motorrad an und nahm die Verfolgung auf.
G ruber hatte das Steuer des Wagens übernommen und raste wild durch die schmalen Straßen. Er bremste nicht, wenn er ein parkendes Automobil streifte oder wenn Fußgänger erschrocken zur Seite sprangen. Einmal beschleunigte er sogar noch, als ein Mann mitten auf der Straße nicht mehr ausweichen konnte und von dem Zusammenstoß beiseitegeschleudert wurde. Auf dem Rücksitz war Colette zwischen Grubers Kumpanen eingekeilt, die sie mit eisernem Griff festhielten.
Younger jagte ihnen weiter nach, war aber nicht in der Lage, den Abstand zu verkürzen. Dann erreichten sie eine breite Chaussee am Fluss, wo Younger Gas geben und aufholen konnte. Durch einen gotischen Spitzbogen schlitterte Gruber auf eine mittelalterliche Brücke und brauste an verzerrten Barockstatuen zu beiden Seiten vorbei. Wieder konnten sich mehrere Fußgänger nur mit einem Satz zur Seite retten. Als sie das andere Ufer erreichten, saß ihnen Younger direkt im Nacken.
Doch nach der Brücke bog Gruber plötzlich scharf ab, und Younger rutschte weg. Das Motorrad drehte sich um hundertachtzig Grad und krachte gegen eine versperrte Bretterbude. Gleich darauf war die Maschine wieder auf Kurs, aber Younger hatte Boden verloren. Weiter vorn schwenkte Gruber erneut mit kreischenden Reifen ab und steuerte einen Hang hinauf. Hinter ihm drang Younger in ein Viertel mit gewundenen, zunehmend steilen Straßen vor. Einen Augenblick lang verlor er Grubers Automobil vollständig aus den Augen. Doch dann sah er, wie es in der Ferne eine Haarnadelkurve nahm und in eine jäh ansteigende Gasse verschwand.
Younger holte alles aus dem Motorrad heraus, um nicht den Anschluss zu verlieren. Die Straße unter ihm verwandelte sich in eine Pflastersteinauffahrt, die auf einer Seite von Häusern und auf der anderen von einer Steinmauer begrenzt war. Immer höher schlängelte sich der Weg empor, ungefähr alle fünfzehn Meter unterbrochen von einer niedrigen Stufe. Bei jedem dieser Hindernisse wurde Younger in die Luft geschleudert, und neben ihm
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