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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Bedienen der Lastwagen abstellen, also hat Madame junge Frauen zu Technikerinnen ausgebildet. Als Nächstes hat die Regierung verkündet, dass Frauen keine Fahrerlaubnis erhalten, da hat Madame diesen Ignoranten die Stirn geboten und den ersten Wagen selbst gesteuert. Sie hat fahren gelernt, Reifen gewechselt, Röntgenbilder gemacht. Als sie gemerkt haben, dass sie tatsächlich Leben rettet, haben sie endlich eingelenkt. Jetzt gibt es über hundertfünfzig von uns – und unser einziges Problem sind die Männer.«
    »Die Männer?«
    »Manche von ihnen werden in der Gegenwart einer Frau ziemlich aggressiv.«
    »Sie sind im Krieg.«
    »Das ist keine Entschuldigung. Wir sind schließlich keine schmutzigen Deutschen.«

    Younger musterte das Mädchen aus dem Augenwinkel. Etwas Hartes war in ihr Gesicht getreten; schon vorher, als sie über die Soldaten gesprochen hatte, war ihm eine Ahnung davon aufgefallen, doch jetzt war ihre Miene undurchdringlich. Schließlich wandte er sich wieder seiner mühsamen Arbeit zu.
    Nach längerem Schweigen ergriff sie wieder das Wort. »Er ist wirklich lieb, der Korporal. Wie kommt es, dass Sie sich um ihn kümmern?«
    »Das war keine Absicht. Er hat sich in der Nacht verirrt. Ist aus Versehen in unseren Frontabschnitt geraten. Hat sich an mich drangehängt, der arme Wicht.«
    »Glauben Sie ihm nicht, Mademoiselle«, murmelte Dubeney.
    »Was — Sie sind wach?«, fuhr Younger auf. »Schwester, Chloroform.«
    »Er ist ins Niemandsland gekommen und hat mich rausgeholt. « Dubeney sprach undeutlich. »Mitten im Getümmel.«
    »Halluzinationen.«
    »Er schläft an der Front.«
    »Wo ist das verdammte Chloroform?«, fauchte Younger.
    »Brauch ich nicht, ich spür nichts.«
    Der Arzt gab ein gereiztes Knurren von sich. Niemand sprach.
    »Ich kann doch nicht zulassen, dass mein bestes Experiment vor die Hunde geht.« Younger deutete am Körper des Korporals nach unten. »Werfen Sie einen Blick auf sein rechtes Knie.«
    Neugierig fragte die junge Frau den Korporal, ob es ihm etwas ausmachte. Als er den Kopf schüttelte, rollte sie ein
Hosenbein hoch und sah eine böse Verletzung. »Das muss desinfiziert werden.«
    »Ich habe es desinfiziert«, erklärte Younger. »Jeden Tag. Und jetzt schauen Sie sich das andere Knie an.«
    Nachdem sie Dubeneys linkes Hosenbein hochgestreift hatte, ächzte sie erschrocken auf. Auch dieses Knie war verletzt, aber in ihm herrschte wimmelnde Bewegung. »Was ist das denn?«
    »Maden. Was stellen Sie sonst noch fest?«
    »Die Wunde ist sauber.«
    »Die gleichen Verletzungen, die ein und derselbe Mann durch die gleichen Ursachen erlitten hat. Aber die eine ist fast verheilt, während die andere weiterschwärt. Und die geheilte Wunde wurde ausschließlich mit Maden behandelt. Das war übrigens nicht meine Idee. Die Männer im Feld machen das schon seit Jahren. Und obwohl er weiß, wie wichtig seine Knie für die Wissenschaft sind, geht dieser alte Knabe her und lässt sich in den Bauch schießen. Keinerlei Pflichtbewusstsein.«
    Younger bemerkte, dass sich der kleine Junge neben die Frau gestellt hatte und voller Andacht Korporal Dubeneys madiges Knie beäugte.
    »Mein Bruder«, sagte sie zu Younger. »Er heißt Luc.«
    Ganz anders als seine Schwester hatte der Junge schmutzig blondes Haar, das struppig und ungewöhnlich lang war. Auch seine Haut war viel weniger hell als ihre — oder einfach viel dreckiger —, aber seine braunen Augen wirkten genauso streng und intelligent wie ihre, allerdings wachsamer, weniger zerstreut. Younger hatte das Gefühl, dass dem Jungen nichts entging. »Und wie alt bist du, junger Mann?«
    Der Junge sah Younger nicht an und blieb stumm.

    »Luc, du bist ungezogen«, tadelte die Frau, bevor sie sich wieder an Younger wandte. »Er spricht nicht gern. So, Sie sind das also.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Die Soldaten erzählen Geschichten von einem amerikanischen Arzt, der immer an der Front bleibt, um dort die Verletzten zu behandeln.«
    »Ich behandle sie nicht, ich führe Experimente mit ihnen durch.«
    »Und er kämpft auch, sagen sie.«
    »Unsinn.«
    »Wie ein Teufel«, bestätigte Dubeney.
    Voller Interesse blickte der Junge zu Younger auf.
    »Sie spüren also nichts, sagen Sie?« Younger veränderte die Position des Skalpells, und der alte Korporal jaulte laut auf.
     
    S tunden später packten sie unter den Sternen die Sachen zurück in den Lastwagen. Trotz ihrer Zierlichkeit war die junge Frau überraschend stark. Eine Explosion

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