Todesjagd
tätigen und um was es bei diesen Gesprächen gehen würde, wussten beide nicht. Es war eine dieser Situationen, in denen einem nur die notwendigen Fakten präsentiert wurden.
Sie waren ohne Schwierigkeiten in das Gebäude hineingekommen und hatten sogar problemlos die Wanzen angebracht. Das Hinauskommen war das Problem. Die eine Route, von Durrie geplant, hatte sich als unbrauchbar erwiesen. Die Baufirma hatte einen ganzen Flügel des Gebäudes abgesperrt, so dass er nicht benutzt werden konnte.
Auf demselben Weg hinauszukommen, auf dem sie hereingekommen waren, war auch nicht möglich. Die automatisch gesteuerten Videoschleifen von leeren Korridoren, die ihnen beim Hereinkommen Deckung gegeben hatten, waren schon vor wenigstens einer Viertelstunde abgestellt worden.
Also hatte Quinn sich mit Durrie in Verbindung gesetzt, der gesagt hatte, sie sollten sich irgendwo verkriechen, während er versuchte, sich einen anderen Ausweg zu überlegen.
Er hätte sich ärgern können, aber Quinn machte es nichts aus. Tatsächlich war es ihm im Moment egal, wie lange sie warten mussten.
Als Orlando zu ihm hinüberschaute, hob er fragend eine Braue und hoffte, damit zu kaschieren, dass er sie angestarrt hatte. Sie zeigte nach rechts und gab damit zu verstehen, dass das Geräusch aus dieser Richtung des Korridors kam. Quinn hatte es schon gehört, tat aber so, als horche er, und nickte ihr zu, als die Schritte näher kamen.
Als sie wieder wegschaute, konnte er nicht anders - sein Blick wanderte wieder hinüber zu ihr - der Rundung ihres Halses, ihrer leicht gebräunten Haut, dem dunklen Pferdeschwanz, der ihr knapp bis über die Schultern reichte. Er wollte nicht, dass sie ihm etwas bedeutete. Er wollte sich nicht für sie interessieren.
Doch er wusste nicht, wie er es abstellen sollte. Sie hatte ihn gefangengenommen und wusste es nicht einmal.
Draußen wurden die Schritte langsamer. Sie waren jetzt ganz nahe. Fast vor der Tür. Quinn spürte, wie Orlando erstarrte. Er verwünschte sich, weil er ihr nicht den Vortritt gelassen hatte, so dass er zwischen ihr und der Tür war.
Ein Schritt.
Eine Sekunde.
Dann eine Hand an der Tür.
Quinn zog die einzige Waffe heraus, die mitzunehmen man ihm erlaubt hatte. Eine Elektroschock-Pistole, die in die Hosentasche passte. Er beugte sich vor, über Orlandos Schoß, bereit, die Pistole einzusetzen, sobald die Tür aufging.
Er hörte, wie sich der Knauf drehte und der Riegel sich zurückschob. Er erwartete, dass die Tür sich langsam öffnen würde - aber es kam anders.
Sie wurde mit einem Ruck weit aufgerissen.
Quinn stürzte nach vorn, zielte mit der Pistole direkt auf den Mann vor ihm. Aber der schien den Angriff erwartet zu haben, denn er stand ein paar Schritte von der Schwelle entfernt, außer Quinns Reichweite. Quinn rappelte sich hoch, wollte es noch einmal wagen, doch die Worte des Mannes hielten ihn auf.
»Netter Versuch«, sagte Durrie, ein wissendes Funkeln in den Augen. Er trug die Uniform eines Sicherheitsbeamten der Net/Gyro. »Ihr habt euch da drin sicherlich besser kennengelernt. Nun, die Teestunde ist vorbei, gehen wir.«
Es war ein Test gewesen. Durrie hatte die ganze Zeit gewusst, dass der von ihm skizzierte Weg nach draußen eine Sackgasse war. Er hatte nur sehen wollen, ob sie ruhig blieben, wenn etwas schieflief. Es war eine Prüfung, die beide bestanden hatten.
Und obwohl es Durrie gleichgültig hätte sein können, hatte er Recht gehabt. Quinn und Orlando hatten einander besser kennengelernt, gut genug, um die Bande einer Freundschaft zu knüpfen, die mit den Jahren immer enger wurde. Nur nicht in die Richtung, die Quinn erhofft hatte. Irgendwie war Durrie diese Ehre zuteilgeworden. Orlando war für Quinns alten Mentor zu gut gewesen, aber das hatte er ihr nie sagen können. Sie hatte Durrie geliebt und für ihn gesorgt.
Quinn hätte das für Verschwendung gehalten, wenn es Garrett nicht gegeben hätte - den Sohn, den Durrie nie als den seinen anerkannt hatte.
16
Um halb vier stieg ein älteres Ehepaar die Stufen des Hauses von Orlandos Tante hinauf. Beide waren schwarz gekleidet, und es schienen Koreaner zu sein, wie die Mutter, die Orlando schon als Kind verloren hatte, und ihre kürzlich verstorbene Tante Jeong. Als sie vorbeiging, starrte die Frau Quinn an, dabei hielt sie so viel Abstand zu ihm wie möglich. Der Mann nickte ihm zu, beachtete ihn aber nicht weiter.
Das Paar hatte einen Schlüssel und verschwand im Haus, ohne sich darum zu
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