Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
und ab sofort alle Ämter ruhen lassen. Dem Zentrum wird die offizielle Genehmigung, Adoptionen durchzuführen, entzogen. Die Anklagebehörde wird ihrerseits eine Erklärung abgeben, in der sie mitteilt, dass die Tatvorwürfe aus Mangel an Beweisen fallengelassen wurden.«
Der Satz klingt endgültig. Greenburgs Job ist erledigt. Er erhebt sich und streicht sein Jackett glatt. »Ich habe meiner Frau versprochen, mit ihr zu Mittag zu speisen. Jetzt wird es wohl ein Abendessen werden. Vielen Dank für Ihre Kooperation.«
Samira schüttelt meine Hand ab und drängt sich an den Leuten vorbei zum Aufzug.
»Tut mir leid, Alisha«, sagt Spijker.
Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Er hat mich davor gewarnt, als er in seinem Büro über die Büchse der Pandora gesprochen hat. Manche Deckel hält man lieber geschlossen, zugeklebt, zugenagelt, zugeschraubt und zwei Meter unter der Erde vergraben.
»Das Ganze hat schon eine gewisse Logik. Es ist sinnlos, die Schuldigen zu bestrafen, wenn wir dadurch Unschuldige bestrafen«, sagt er.
»Irgendjemand muss dafür bezahlen.«
»Jemand wird dafür bezahlen.«
Ich blicke über den gepflasterten Hof, wo Tauben eine Statue
mit mausgrauen Exkrementen zugedeckt haben. Der Wind hat wieder aufgefrischt und weht prasselnde Tropfen gegen die Fenster.
Ich rufe Forbes an. Windböen zerren an seinen Worten.
»Seit wann wissen Sie es?«
»Seit heute Mittag.«
»Haben Sie Pearl?«
»Das ist nicht mehr meine Show.«
»Hat man Sie von dem Fall abgezogen?«
»Ich bin kein hinreichend hochrangiger Diener des Staates, um diese Sache zu erledigen.«
Mir tritt plötzlich das Bild des stillen Mannes vor Augen, der an seinen Manschetten zupfend am Fenster stand. Er war vom MI5. Die Sicherheitsdienste wollen Pearl. Forbes ist angewiesen worden, hinten Platz zu nehmen.
»Wo sind Sie jetzt?«
»Ein mobiles Sondereinsatzkommando hat eine Pension in Southend-on-Sea umstellt.«
»Ist Pearl drinnen?«
»Er steht am Fenster und beobachtet den Aufmarsch.«
»Er wird nicht fliehen.«
»Dafür ist es zu spät.«
Ein weiteres Bild tritt mir vor Augen. Brendan Pearl, der mit einer Pistole im Hosenbund lässig aus der Pension tritt, bereit zum Kampf oder zur Flucht. So oder so, er wird keinesfalls zurück ins Gefängnis gehen.
Samira. Was soll ich ihr sagen? Wie kann ich es ihr erklären? Sie hat gehört, was Greenburg gesagt hat. Ihr Schweigen hat Bände gesprochen. Es war, als hätte sie die ganze Zeit gewusst, dass es so kommen würde. Verrat. Gebrochene Versprechen. Falschheit. Das kennt sie schon. »Manche Menschen sind zum Leiden geboren«, hat Lena Caspar gesagt. »Für sie hört es nie auf, keine Sekunde lang.«
Durch die regennasse Fensterscheibe kann ich Samira in Haris
Mantel neben der Statue stehen sehen. Ich möchte ihr Glauben an die Zukunft vermitteln. Ich möchte ihr die Weihnachtsbeleuchtung in der Regent Street vorführen, ihr von Narzissen im Frühling erzählen und ihr echte, wahre Dinge zeigen, Glück.
Ein dunkler Wagen ist vorgefahren und wartet am Straßenrand. Fotografen und Kameramänner kommen rückwärts und um den besten Platz rangelnd aus dem Gerichtsgebäude. Flankiert von seiner Anwältin und Eddie Barrett tritt Julian Shawcroft aus der Tür. Sein silbernes Haar glänzt im Licht der Fernsehscheinwerfer.
Er scherzt entspannt und jovial mit den Reportern, ganz Herr des Augenblicks.
Ich beobachte Samira, die sich im beiläufigen Zickzackmuster auf ihn zubewegt. Ihre Hände sind tief in den Taschen ihres Mantels vergraben.
Ich renne los, umkurve im Slalom die Leute im Flur, hämmere auf den Fahrstuhlknopf und entscheide mich dann doch für die Treppe. Ich stürme Absatz für Absatz hinunter und nehme den Notausgang im Erdgeschoss.
Ich befinde mich auf der falschen Seite des Gebäudes. Wohin? Nach links.
Es gibt Sportler, die gut Runden laufen können. Sie lehnen sich in die Kurven und verlagern ihren Schwerpunkt, anstatt sich gegen die Flugkräfte zu stemmen, die sie aus der Bahn werfen wollen. Der Trick besteht darin, nicht dagegen anzukämpfen, sondern sie zu nutzen, indem man kürzere Schritte macht und sich an die Innenbahn schmiegt.
Ein russischer Trainer hat mir einmal gesagt, dass ich die beste Kurvenläuferin sei, die er je gesehen hätte. Er hatte sogar ein Video von mir, das er beim Training seiner jungen Läuferinnen an der Moskauer Sporthochschule verwendete.
Jetzt habe ich keine gekrümmte Bahn vor mir, und die Pflastersteine sind vom Regen
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