Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
verkündet sie. »Heute Nachmittag war ein sehr netter Mann hier.«
»Ich habe gar keine Störung gemeldet.«
»Nun, er war jedenfalls hier und hat es repariert.«
Ein kühler Luftzug streicht über meine Haut, als hätte jemand eine Tür offen stehen lassen. Ich bombardiere sie mit Fragen: Wie sah er aus? Was hatte er an? Hatte er einen Ausweis? Mama wirkt erst besorgt und dann verängstigt.
»Er hatte ein Klemmbrett und eine Werkzeugkiste.«
»Aber keinen Ausweis.«
»Ich habe nicht gefragt.«
»Er hätte ihn dir unaufgefordert zeigen müssen. Hast du ihn alleine gelassen?«
»Ich habe geputzt.«
Mein Blick huscht von einem Gegenstand zum nächsten, während ich Inventur mache. Ich gehe nach oben und überprüfe meinen Kleiderschrank und die Kommodenschubladen. Nichts von meinem Schmuck fehlt. Meine Kontoauszüge, Pass und ein Satz Ersatzschlüssel liegen noch in ihrer Schublade. Sorgfältig zähle ich die verbliebenen Schecks in meinem Scheckbuch.
»Vielleicht hat Hari die Störung gemeldet«, vermutet meine Mutter.
Ich rufe ihn auf dem Handy an. In dem Pub ist es so laut, dass er mich kaum versteht.
»Hast du eine Telefonstörung gemeldet?«
»Was?«
»Hast du die British Telecom angerufen?«
»Nein. Sollte ich?«
»Spielt keine Rolle.«
Meine Mutter wiegt den Kopf hin und her und gibt besorgte Laute von sich. »Sollten wir die Polizei alarmieren?«
Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Aber was würde ich melden? Es war kein Einbruch. Soweit ich es feststellen kann, wurde nichts gestohlen. Entweder war es das perfekte Verbrechen oder gar keins.
»Mach dir deswegen keine Sorgen, Mama.«
»Aber der Mann – «
»Er hat bloß das Telefon repariert.«
Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht. Sie ist auch so schon oft genug hier.
Mama blickt auf die Uhr. Wenn sie jetzt nicht geht, schafft sie es nicht bis zum Abendessen nach Hause. Ich biete an, sie zu
fahren, und sie schenkt mir das breiteste und strahlendste Lächeln überhaupt. Kein Wunder, dass die Menschen tun, was sie sagt – sie möchten sie lächeln sehen.
Auf dem Nachttisch liegt ein Buch, das ich gestern Abend angefangen habe. Das Lesezeichen ist zwanzig Seiten zu weit vorn. Vielleicht habe ich es unbeabsichtigt selber bewegt. Paranoia ist nicht Realität in einem feineren Maßstab; es ist eine törichte Reaktion auf unbeantwortete Fragen.
7
An dem Tag vor ihrem siebzehnten Geburtstag fand Cate ihre Mutter bewusstlos in der Küche. Sie hatte einen Gehirnschlag erlitten, den man sich laut Cate wie eine Explosion im Kopf vorstellen musste.
Im Krankenhaus erlitt Ruth Elliot zwei weitere Schlaganfälle, die sie rechtsseitig lähmten. Cate gab sich die Schuld dafür. Sie hätte zu Hause sein sollen. Stattdessen hatten wir uns heimlich davongestohlen und die Beastie Boys in der Brixton Academy gesehen. An diesem Abend hat sich Cate von einem Mann küssen lassen. Er muss mindestens 25 gewesen sein. Uralt.
»Vielleicht ist das die Strafe für mein Lügen«, sagte sie.
»Aber deine Mum ist diejenige, die in Wirklichkeit bestraft wird«, bemerkte ich.
Danach begann Cate, zur Kirche zu gehen – zumindest eine Zeit lang. Eines Sonntags kam ich mit, kniete neben ihr und schloss die Augen.
»Was machst du da?«, flüsterte sie.
»Ich bete für deine Mum.«
»Aber du bist doch gar nicht anglikanisch. Wird dein Gott nicht glauben, dass du zur Gegenmannschaft überläufst?«
»Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, welcher Gott sie wieder gesund macht.«
Mrs. Elliot kam in einem Rollstuhl nach Hause und konnte nicht mehr richtig sprechen. Anfangs konnte sie nur ein Wort sagen: »Wann«, geäußert weniger als Frage denn als Feststellung.
Egal was man zu ihr sagte, sie antwortete immer gleich.
»Wie geht es Ihnen heute, Mrs. Elliot?«
»Wann, wann, wann.«
»Haben Sie Ihren Tee getrunken?«
»Wann, wann, wann.«
»Ich bin gekommen, um mit Cate zu lernen.«
»Wann, wann.«
Ich weiß, es klingt schrecklich, aber manchmal haben wir ihr Streiche gespielt.
»Wir schreiben einen Biologie-Test, Mrs. E.«
»Wann, wann.«
»Am Freitag.«
»Wann, wann, wann.«
»Vormittags.«
»Wann, wann.«
»Ungefähr um halb zehn.«
»Wann, wann.«
»Neun Uhr vierunddreißig, um genau zu sein. Greenwich-Zeit. «
Die Elliots hatten eine Krankenschwester engagiert, eine große Jamaikanerin namens Yvonne, mit Brüsten wie Kopfkissen, fleischigen Armen und fleckigen rosafarbenen Händen. Sie trug Kleider in schrillen Farben und
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