Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
tragen. Alle Männer drehen sich zu mir um. Ich konzentriere mich auf meine Sandalen.
Mein Vater redet mit Dave und meinem Onkel Rashid, einem notorischen Pograbscher. Meine Mutter meint, es wäre eine zwanghafte Störung, aber ich glaube, er ist bloß ein Lustmolch. Sie reden über Cricket. Die Männer in meiner Familie sind besessen von dem Spiel, selbst nach Ende des Sommers noch.
Die meisten indischen Männer sind klein und elegant mit feinen Händen, aber meine Brüder sind mit Ausnahme von Hari, der auch eine wunderschöne Frau geworden wäre, eher derbe und stämmige Typen.
Bada küsst mich auf die Wange. Ich verbeuge mich leicht. Er schiebt seinen Gast näher und macht uns förmlich miteinander bekannt.
»Alisha, das ist Dr. Sohan Banerjee.«
Ich nicke, den Blick nach wie vor gesenkt.
Der Name kommt mir bekannt vor. Wo habe ich ihn schon einmal gehört?
Der arme Dave begreift nicht, was los ist. Er ist kein Sikh, und das ist wahrscheinlich gut so. Wenn ich einen Sikh mit nach Hause gebracht hätte, hätten meine Eltern eine Ziege geschlachtet.
Dr. Banerjee steht sehr gerade und hält den Kopf gesenkt. Mein Vater redet immer noch. »Sohan hat persönlich Kontakt mit mir aufgenommen und mich gebeten, dich kennen lernen zu dürfen, Alisha. Von Familie zu Familie – wie es sein sollte.«
Niemand erwartet dazu einen Kommentar von mir.
»Er hat mehr als einen medizinischen Abschluss«, fügt er hinzu.
Er hat auch mehr als ein Kinn.
Ich weiß nicht, wie viel schlimmer der Tag noch werden könnte. Die Leute beobachten mich. Dave steht auf der anderen Seite des Gartens und redet mit meinem ältesten Bruder Prabakar, dem religiösesten Mitglied unserer Familie, der ihn garantiert nicht akzeptieren wird.
Der Arzt spricht mit mir. Ich muss mich auf seine Worte konzentrieren. »Soweit ich weiß, sind Sie Polizistin?«
»Ja.«
»Und Sie leben nicht mit Ihren Eltern zusammen. Nur sehr wenige indische Mädchen verfügen über Eigentum. Warum sind Sie nicht verheiratet?«
Die grobe Offenheit seiner Fragen überrascht mich. Er wartet meine Antwort nicht ab. »Sind Sie noch Jungfrau?«
»Verzeihung?«
»Ich nehme doch an, Ihre Mutter hat Sie über die Tatsachen des Lebens aufgeklärt.«
»Das geht Sie gar nichts an.«
»Kein Kommentar bedeutet ja.«
»Nein, tut es nicht.«
»Meiner Erfahrung nach schon.«
»Trinken Sie Alkohol?«
»Nein.«
»Sie müssen nicht so abwehrend reagieren. Meine Eltern meinen, dass ich ein Mädchen aus Indien heiraten soll, weil die Mädchen vom Dorf fleißige Arbeiterinnen und gute Mütter sind. Das mag alles sein, aber ich will kein Bauernmädchen, das nicht mit Messer und Gabel umgehen kann.«
Wut steigt mir wie ein Kloß in den Hals, den ich nur mit Mühe herunterschlucken kann. Ich schenke ihm mein höflichstes Lächeln. »Aber erzählen Sie mal, Dr. Banerjee …«
»Nennen Sie mich Sohan.«
»Gut, Sohan, masturbieren Sie?«
Er klappt den Mund auf und zu wie die Puppe eines Bauchredners. »Ich denke kaum, dass das …«
»Kein Kommentar bedeutet ja.«
Wut blitzt in seinen Augen auf wie ein blutroter Schleier. Zähneknirschend ringt er sich ein Lächeln ab. »Touché.«
»Was für eine Art Arzt sind Sie?«
»Ich bin Facharzt für Frauen – und Geburtsheilkunde.«
Plötzlich fällt mir wieder ein, wo ich seinen Namen gelesen habe. Er stand in der Akte, die Barnaby Elliot mir gezeigt hat. Sohan Banerjee ist Spezialist für Reproduktionsmedizin. Er hat die In-vitro-Fertilisationen bei Cate durchgeführt.
Es gibt 100.000 Sikhs in London und vielleicht 400 Frauenärzte. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Cates Arzt hier aufkreuzt?
»Wir haben eine gemeinsame Bekannte«, erkläre ich ihm. »Cate Beaumont. Haben Sie von ihrem Unfall gehört?«
Sein Blick schweift zu dem fleckigen grünen Dach des Gartenschuppens meines Vaters. »Ihre Mutter hat mich angerufen. Schreckliche Geschichte.«
»Hat Sie Ihnen auch erzählt, dass Cate ihre Schwangerschaft vorgetäuscht hat?«
»Ja.«
»Was hat sie sonst noch gesagt?«
»Es würde unserem Berufsethos widersprechen, die Einzelheiten
des Gespräches zu enthüllen.« Er nickt und fügt noch hinzu: »Selbst gegenüber einer Polizistin.«
Ich suche seinen Blick oder vielleicht ist es auch umgekehrt. »Halten Sie etwa vorsätzlich sachdienliche Informationen zurück? «
Er lächelt misstrauisch. »Verzeihung, aber ich dachte, das hier wäre eine Geburtstagsfeier.«
»Wann haben Sie Cate zum letzten Mal
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