Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Fünf -Minuten-Version. Dafür hast du bezahlt.«
Ich nicke.
»Das erste Mal habe ich sie im Januar gesehen. Ich kann mich noch daran erinnern, weil es an dem Tag so kalt war.« Sie zeigt auf das Waschbecken. »Nur kaltes Wasser. Wie Eis. Sie haben sie hergebracht, damit sie zusieht. Ihre Augen waren größer als so.« Sie ballt ihre Hand zur Faust. »Ich dachte, sie würde sich übergeben. Ich hab ihr gesagt, sie soll ins Waschbecken kotzen. Ich wusste, dass sie es nie schaffen würde. Es ist bloß Sex. Ein körperlicher Akt. Hier oder dort können sie mich nicht berühren«, sagt sie und zeigt auf ihr Herz und ihren Kopf. »Dieses Mädchen hat sich aufgeführt, als wollte sie ihre
Unschuld bewahren. Noch so eine beschissene Jungfrau!« Sie schnippt Asche von ihrer Zigarette auf den Boden.
»Was ist passiert?«
»Die Zeit ist um.« Sie streckt die Hand aus.
»Das waren keine fünf Minuten.«
Sie weist auf die Uhr, die hinter mir an der Wand hängt. »Siehst du die Uhr da? Ich verdiene mein Geld damit, auf dem Rücken zu liegen und sie im Auge zu behalten. Niemand kann fünf Minuten so gut abschätzen wie ich.«
Ich gebe ihr weitere zwanzig Euro. »Du hast gesagt, sie war schwanger.«
»Ja, als ich sie das nächste Mal gesehen habe.« Eva deutet die Rundung des Bauches an. »Sie war in einer Ärzteklinik Amersfoort, im Wartezimmer, zusammen mit einem serbischen Mädchen. Sie waren beide schwanger. Ich hab gedacht, es wäre eine Masche, um Sozialhilfe abzuzocken oder die Abschiebung zu verhindern.«
»Hast du mit ihr geredet?«
»Nein. Ich weiß noch, wie überrascht ich war, weil ich dachte, dass sie die weltweit letzte Jungfrau werden würde.« Ihre Zigarette ist fast bis auf die Fingerknöchel heruntergebrannt.
»Ich brauche den Namen und die Adresse der Klinik.«
»Dr. Beyer. Steht im Telefonbuch.«
Sie tritt die Zigarettenkippe mit dem Absatz ihres Sling-Pumps aus. Ein Klopfen an der Scheibe erregt ihre Aufmerksamkeit. Draußen steht ein Mann, der erst auf Eva und dann auf mich zeigt.
»Wie heißt du? «, flüstert sie verschwörerisch.
» Alisha.«
Sie greift nach der Türklinke. »Er will uns beide, Alisha.«
»Mach nicht auf!«
»Sei doch nicht so schüchtern. Er sieht sauber aus. Ich hab Kondome.«
»Ich bin keine – «
»Keine Hure, nein. Aber auch keine Jungfrau. Du kannst gutes Geld verdienen. Kauf dir ein paar anständige Klamotten. «
Draußen gibt es einen kleineren Auflauf. Weitere Männer spähen durch die Scheibe. Ich bin aufgesprungen. Ich will gehen. Sie versucht immer noch, mich zu überzeugen. »Was hast du schon zu verlieren?«
Meine Selbstachtung, will ich sagen.
Sie macht die Tür auf. Ich muss mich an ihr vorbeidrücken. Sie streicht mit dem Fingernagel über meine Wange und befeuchtet mit der Zungenspitze ihre Unterlippe. Männer drängen sich in dem Durchgang. Die Pflastersteine sind feucht und hart. Ich muss mich zwischen ihnen hindurchdrängen und ihre Körper riechen. Ich stolpere über eine Stufe, und jemand streckt die Hand aus, um mir zu helfen, doch ich schlage sie weg und will laut Missbrauch schreien. Ich hatte Recht wegen Samira. Und dem Baby. Deswegen hat Cate ihre Schwangerschaft vorgetäuscht und Samiras Foto bei sich gehabt. Ich hatte gehofft, dass ich mich irre.
Über dem Gewimmel leuchtet mit einem Mal ein kleiner Flecken grauen Himmels auf. Plötzlich bin ich dem Gassengewirr entronnen, stehe auf einer breiteren Straße und atme tief durch. Das dunkle Wasser des Kanals ist von roten und lila Schlieren durchzogen. Ich lehne mich über ein Geländer, übergebe mich und trage so weiter zur Farbenpracht bei.
Mein Handy vibriert. Ruiz ist unterwegs.
»Ich habe vielleicht jemanden gefunden.« Er keucht leise. »Ich habe Samiras Foto am Hauptbahnhof herumgezeigt. Die meisten wollten gar nichts wissen, aber ein Junge hat sich wirklich sonderbar benommen, als er das Bild gesehen hat.«
»Glauben Sie, dass er sie kennt?«
»Kann sein. Er wollte partout nicht mit der Wahrheit herausrücken,
selbst wenn Gott, der Allmächtige, persönlich nachgefragt hätte.«
»Wo ist er jetzt?«
»Er ist abgehauen. Ich bin fünfzig Meter hinter ihm.«
Der DI rattert die Beschreibung eines Jugendlichen in einer Khakijacke im Camouflagelook, Jeans und Turnschuhen herunter.
» Verdammt!«
»Was ist los?«
»Mein Akku ist fast leer. Ich hätte ihn gestern Nacht aufladen sollen. Aber mich ruft ja normalerweise eh kein Schwein an.«
»Ich schon.«
»Na, das zeigt nur,
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