Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
und will nicht, dass dieser Augenblick endet.
Ich habe keine Erfahrung in der Liebe. Seit meiner Pubertät habe ich sie gemieden, geleugnet und mich danach gesehnt. (Dieser Widerspruch ist eines der Symptome.) Ich war die Kummertante für all meine Freundinnen, habe mir ihre rührseligen Geschichten über arrangierte Ehen, untreue Ehegatten, Männer, die nicht anrufen und sich nicht einlassen wollen, ausgebliebene Perioden, sexuelle Neurosen, Hochzeitspläne, postnatale Depressionen und gescheiterte Diäten angehört. Ich kenne mich aus mit den Liebesaffären anderer Menschen, aber wenn es um meine eigene geht, bin ich eine absolute Anfängerin. Deswegen habe ich Angst. Ich werde es garantiert vermasseln.
Dave streicht über meine geschwollene Wange. Ich zucke zusammen. »Wer war das?«
»Er heißt Yanus.«
Ich kann förmlich sehen, wie er diese Information zur späteren Verwendung speichert. In dieser Hinsicht sind er und
Ruiz sich ähnlich. Sie haben nichts von einem Hasardeur oder Heißsporn. Sie können warten, bis ihre Gelegenheit zur Rache kommt.
»Du hast Glück gehabt, dass er dir nicht den Wangenknochen gebrochen hat.«
»Er hätte noch viel Schlimmeres anrichten können.«
Ich mache einen Schritt auf ihn zu und küsse ihn rasch und spontan auf den Mund. Dann drehe ich mich um, um duschen zu gehen. Als ich mich noch einmal umwende, um etwas zu sagen, ertappe ich ihn dabei, wie er triumphierend die Faust ballt.
Er wird rot.
» So toll war der Kuss nun auch wieder nicht.«
»Für mich schon.«
Später sitzt er auf dem Bett und guckt mir beim Anziehen zu, was mich verlegen macht, sodass ich ihm die ganze Zeit den Rücken zuwende. Er streckt die Arme aus und legt von hinten seine Hände auf meine Brüste, bevor ich den BH übergestreift habe.
»Den Job übernehme ich freiwillig«, sagt er.
»Das ist wirklich sehr nobel, aber das hältst du ja doch nicht den ganzen Tag durch.«
Ich schiebe seine Hand sanft beiseite und ziehe mich weiter an.
»Du magst mich wirklich, nicht?«, sagt er. Ich sehe sein breites dümmliches Grinsen in der verspiegelten Kleiderschranktür.
»Werd bloß nicht übermütig«, warne ich ihn.
»Aber es stimmt. Du magst mich wirklich . «
»Das könnte sich ändern.«
Sein Lachen klingt nicht völlig überzeugt.
Wir frühstücken in einem Café in der Paleisstraat in der Nähe des Dam. Blauweiße Straßenbahnen rumpeln unter summenden Leitungen am Fenster vorbei. Eine blasse Sonne bricht hier und
da zwischen den Wolken hervor, und der Wind zerrt an den Kleidern der Fußgänger und Radfahrer. Ein verzinkter Tresen nimmt eine ganze Wand des Cafés ein, darüber hängen eine Tafel mit der Speisekarte und Regale mit Wein – und Portfässern. Es riecht nach Kaffee und überbackenem Käse. Mein Appetit kehrt zurück. Wir bestellen Aufschnitt, Käse und Brot, dazu Kaffee mit geschäumter Milch.
Ich gehe mit Dave alles durch, was passiert ist. Hin und wieder unterbricht er mich mit einer Frage, aber die meiste Zeit isst er und hört schweigend zu. Die ganze Angelegenheit ist von Halbwahrheiten und zurechtgelegten Annahmen durchzogen. Im Vergleich zu den eindeutigen Tatsachen scheinen Ungewissheiten und Mehrdeutigkeiten zu überwiegen, und das nagt an mir. Es macht mich grüblerisch und bereitet mir Unbehagen.
Ich borge mir Daves Notizbuch und schreibe Namen untereinander.
Brendan Pearl
Yanus
Paul Donavon
Julian Shawcroft
Auf der anderen Seite notiere ich eine weitere Liste: die Opfer.
Cate und Felix Beaumont
Hasan Khan
Samira Khan
Wahrscheinlich gibt es noch andere. Und wo liste ich die Leute auf, die dazwischen fallen, wie Barnaby Elliot? Ich glaube nach wie vor, dass er mich wegen Cates Computer angelogen hat. Und Dr. Banerjee, Cates Fertilisationsspezialist. Es war kein Zufall, dass er auf der Geburtstagsfeier meines Vaters aufgetaucht ist.
Ich weiß nicht genau, was ich damit erreichen will, dass ich all das aufschreibe. Vielleicht bekomme ich dadurch eine andere Perspektive oder stoße auf einen neuen Zusammenhang.
Ich habe nach einer zentralen Figur gesucht, die hinter all den Ereignissen steht, aber vielleicht ist diese Vorstellung zu simpel. Die Leute könnten verbunden sein wie die Speichen eines Rades, die sich nur in der Mitte berühren.
Und noch eine weitere Frage stellt sich. Wo sollte die Babyübergabe stattfinden? Vielleicht hatte Cate vor, einen Urlaub oder ein Wochenende in den Niederlanden zu verbringen? Sie hätte ihre »Wehen« bekommen und allen
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