Todeskind: Thriller (German Edition)
heranwachsenden Jungen zu kümmern, und Cole war ausgemergelt, dreckig und mangelernährt. Mitch bezahlte einen Nachbarn dafür, dass er hin und wieder nach seiner Großtante sah, nahm den Jungen und zog nach Florida, um die erste Phase seines Racheplans umzusetzen. Sich ein finanzielles Polster zu verschaffen.
Aber wieder lief etwas schief, und er musste vor dem Gesetz fliehen. Wieder kehrte er nach Hause zurück. Dieses Mal zu seinem Haus. Meinem Haus. Denn eine Woche nachdem er hier angekommen war, war Tante Betty friedlich in ihrem Bett entschlafen.
In der Schublade ihres Nachtschränkchens fand er ihr Testament, in dem sie ihm das Haus hinterließ, Gott segne sie. Aber zwischen Bettys Papieren fand er außerdem das Tagebuch seiner Mutter, und als er das gelesen hatte, war alles anders geworden. Na ja, fast alles.
Er liebte Cole immer noch, und er hasste seinen Stiefvater genauso wie vorher. Das hatte sich nicht geändert.
Aber nun verstand er, was seine Mutter erlitten hatte. Mitch hatte immer geglaubt, sein Stiefvater sei ein Windhund gewesen, der jede Nacht eine andere Frau gevögelt hatte, aber nun erfuhr er, dass das Gegenteil der Fall gewesen war. Sein Stiefvater hatte all die Jahre über nur eine Frau gehabt, eine, die ebenfalls verheiratet gewesen war. Er hatte Mitchs Mom jede Nacht für eine Frau verlassen, die seiner Mutter die Affäre auch noch unter die Nase gerieben hatte. Die sich über sie lustig gemacht hatte.
Und nun kannte Mitch ihren Namen.
Er setzte sich an den alten Tisch, zog die Schublade heraus und betrachtete einen Moment lang den Ledereinband des Tagebuches. Legte es behutsam auf die Tischplatte und schlug es an der Stelle auf, die er längst auswendig kannte. Las die Worte, die seine Mutter an einem Herbstabend acht Jahre zuvor geschrieben hatte.
Heute bin ich ihm nachgefahren. Jetzt doch. Hab den Kleinen im Sitz festgeschnallt und bin ihm hinterhergefahren. Bis zum Motel 6 in Winchester.
Motel 6? Ernsthaft? Ich war so erleichtert. Nur eine Nutte, dachte ich. Er liebt keine andere. Und dann fuhr ihr Auto vor. Ein Bentley. Ein Bentley auf dem Parkplatz vom Motel 6. Ich hätte gelacht, wenn mir nicht zum Heulen zumute gewesen wäre.
Denn dann stieg Daphne Elkhart aus. Und er nahm sie in die Arme. Vor meiner Nase auf diesem Parkplatz.
Wie soll ich mit so einer Frau konkurrieren? Sie ist schön. Sie ist reich. Was habe ich zu bieten? Aber ich gebe ihn nicht kampflos auf. Ich gebe ihr eine Chance. Ich rede mit ihr, bitte sie, meinen Mann in Frieden zu lassen. Und ich nehme Cole mit, damit sie sieht, dass er ein Kind hat, dass sie eine Familie zerstört. Wenn sie trotzdem nicht geht und die Finger von ihm lässt, dann sag ich es ihrem Mann. Der wird sie schon zurechtstutzen. Falls Travis das nicht auf die Reihe kriegt, dann seine Mutter. Ich schwöre, irgendjemand wird mir zuhören müssen, und wenn ich dabei umkomme.
Mitch schloss das Buch und legte es in die Schublade zurück. Der Eintrag war datiert zwei Tage vor ihrem Selbstmord. Am Abend danach hatte sie noch einmal in das Buch geschrieben. Sie hatte mit Daphne gesprochen und sie angefleht, ihren Mann gehen zu lassen. Doch Daphne hatte sie ausgelacht.
Laut Leichenbeschauer war ihr Tod irgendwann im Laufe des folgenden Tages eingetreten.
Das Wissen, wer das Leben seiner Mutter zerstört hatte, hatte ihn bis ins Mark erschüttert und dafür gesorgt, dass er seinen Stiefvater umso mehr hasste. Er und Daphne hatten einander verdient. Also hatte er einen Plan entworfen, wie er sie beide erwischen konnte. Gleichzeitig. Und wenn er sie gegeneinander ausspielen konnte, dann umso besser.
Mitch hatte viele Monate lang geplant, organisiert und Fäden gezogen. Nun kam der Schlussakt. Mit seinem Stiefvater in der Hauptrolle. Und Daphne in der anderen. Mitch hatte den Millhouse-Clan geschickt für sich genutzt, so dass kein Verdacht auf ihn fallen würde. Gestern Abend dann hatte die Show endlich begonnen. In den nächsten Tagen würde er seine Belohnung bekommen.
Er trat zu dem einzigen Bereich des Bunkers, an dem er Änderungen vorgenommen hatte. Hier hatte er zwei kleine Kammern abgeteilt und sie zusätzlich isoliert. Sie befanden sich knapp einen Meter unter der Erde und waren umgeben von dreißig Zentimeter dicken Betonwänden, aber die Cops hatten inzwischen ausgeklügelte Methoden. Er wollte nicht riskieren, dass bei einer Suche vielleicht Wärmebilder entdeckt wurden. Die beiden Kammern waren für Daphne und seinen Stiefvater
Weitere Kostenlose Bücher