Todeskleid: Thriller (German Edition)
Bildschirm. Die Puppe hatte sich seit zwei Stunden praktisch nicht mehr bewegt. Sie war in Toronto, genauer gesagt in einem Hotel in der Yonge Street, aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen mit Violet. Aber es wäre dumm gewesen anzunehmen, dass Silas sich ebenfalls dort aufhielt.
Ich an seiner Stelle würde versuchen, mich umzubringen. Also musste er sich zunächst um Silas kümmern.
Er wählte Silas’ Geschäftshandy und erreichte wieder nur die Mailbox. »Ich bin’s«, sagte er. »Ich habe einen Auftrag für dich. Ruf mich an.«
Er hatte nicht die Absicht, Silas mit etwas Wichtigem zu betrauen, und dieser Job war wichtig. Er hatte erfahren, dass Paige Holden sich mit der Dienstaufsicht getroffen hatte und nun deren »Informantin« war. Die Frau hatte ihm inzwischen genug Kopfschmerzen bereitet. Es war Zeit, dass ihr ein bedauernswerter Unfall zustieß, den er bereits in die Wege geleitet hatte. So würde er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er hätte sich ein lästiges Übel vom Leib geschafft und die Abteilung für Innere Angelegenheiten gleichzeitig auf eine wunderschöne neue Spur gebracht, die sie auf Trab halten würde.
Ja, der Job war in der Tat wichtig, daher hatte er bereits jemand anders damit beauftragt. Aber falls Silas pünktlich zurückkäme, wäre er zu der Party eingeladen. So weiß ich zumindest genau, wann er wo ist.
Mittwoch, 6. April, 16.05 Uhr
»Sie spielt mit uns«, sagte Paige, als Grayson den Wagen gestartet hatte und auf die Straße fuhr.
»Ja, aber ein Scheibchen Wahrheit dürften wir bekommen haben.«
»Du warst ziemlich nett zu ihr. Irgendwie hat sie bei dir den richtigen Knopf gedrückt, nicht wahr?«
»Was meinst du damit?«
»Als sie sagte: ›Er hat nur noch mich‹, hast du ausgesehen, als sei dir ein Gespenst erschienen.« Oder vielmehr, als hätte man ihn mit dem Vorschlaghammer bearbeitet. »Das hat sie dann ausgewalzt.«
»Tja, nun«, sagte er schlicht. »Ich bin halt ein Weichei.«
Paige dachte an das Foto mit den Palmen im Hintergrund. Sie hätte gerne Fragen gestellt, viele Fragen, aber sie ging davon aus, dass er ohnehin nicht antworten würde.
»Ja, ein Riesenweichei«, bestätigte sie. »Brittany hat gewusst, dass Ramon unschuldig ist, vorausgesetzt, die Sache mit dem Schweigegeld stimmt.«
»Ja, wäre Ramon tatsächlich schuldig, ergäbe das wenig Sinn«, stimmte er ihr zu. »Lass uns dort drüben parken, dann können wir mal nachsehen, was in dem Umschlag ist.«
Sie griff nach ihrem Rucksack, holte ein Paar Latexhandschuhe heraus, die sie immer bei sich hatte, und streifte sie über. »Ich bin bereit.«
»Beeindruckend. Was ist denn noch alles in dem Rucksack?«
»Lupe, Notraketen, Hundeleckerchen. Mein Laptop und Wi-Fi-Modem. Ersatzmunition. Make-up. Seil. Eine Taschenlampe. Studentenfutter. Nunchakus. Schweizer Messer. Und ein Ellery-Queen-Krimi. Was man eben so braucht für dieses Handwerk.«
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. »Verwechsele die Leckerchen nur nicht mit dem Studentenfutter.«
»Das ist mir schon passiert. Überwachung in einer dunklen Straße, konnte kein Licht machen. So schlecht schmeckt Hundekuchen gar nicht.«
Er schnitt eine Grimasse. »Igitt! Hast du noch ein Paar Handschuhe?«
Sie gab ihm welche, dann nahm sie den Umschlag. Er beugte sich vor, um mit ihr hineinzusehen. »Ein Kontobuch«, sagte sie und reichte es ihm. »Ein Highschool-Ring. Von einem Mann.« Sie hielt ihn hoch. »Abschlussjahr 1973. Komisch, dass sie so was hat.«
»Welche Schule?«
»Winston Heights.«
»Noch nie gehört«, sagte er. »Ist nicht hier in der Stadt. Werden wir überprüfen. Dieses Kontobuch weist nur Einlagen auf. Regelmäßig. Jeden Monat tausend Dollar.«
Paige begegnete seinem Blick. »Nanu? Sieht so aus, als hätte Miss Crystal selbst ein hübsches Schweigegeld kassiert. Aber man sollte doch meinen, dass Brittany sich das hier angesehen hat.«
»Davon können wir wohl ausgehen. Sie war achtzehn und hatte selbst einen Halbtagsjob. Sie muss gewusst haben, was Kellnerinnen verdienen. Die letzte Einzahlung wurde eine Woche vor Crystals Tod getätigt. Hier hast du ein Motiv.«
»Vor allem, wenn sie den Preis erhöht hat, weil ein Baby im Anmarsch war. Wie lange lief das mit den Zahlungen?«
Er blätterte. »Vier Jahre. Direkt nach der Verhaftung wegen Prostitution. Wir müssen zurückverfolgen, woher das Geld kam.« Doch dann bildete sich eine Falte auf seiner Stirn. »Moment mal. Ich hatte damals doch
Weitere Kostenlose Bücher