Todeskleid: Thriller (German Edition)
doch sehr, dass wir sie bald in die Finger kriegen«, sagte Grayson mit sanfter Stimme. »Dank dir, Daphne. Für alles.« Er legte auf und wandte sich an Paige. »Ich versuche nicht, mich vor dem Besuch bei Ramon zu drücken.«
»Ich weiß, ich hab’s mitbekommen. Bankfach, ein wichtiges Treffen, um über Ramons Freilassung zu sprechen, und Brittany ist eine geldgeile Schlampe.«
Er grinste. »Letzteres wusstest du doch schon. Aber wenn die Besprechung läuft wie erhofft, kann ich Muñoz etwas Handfestes präsentieren. Das wäre mir sehr viel lieber, als wenn ich mit nichts außer Entschuldigungen bei ihm antanze.«
»Ich denke, das wäre auch ihm sehr viel lieber. Soll ich Brittanys Bank ins Navi eingeben?«
»Ja, bitte. Schauen wir uns an, was sie ursprünglich verstecken wollte.«
Freitag, 8. April, 10.35 Uhr
Der Lieutenant und seine Leute waren fort, aber Adele rührte sich noch immer nicht. Sie hatte den Kopf abgewandt und starrte die Wand an. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, aber sie war am Leben.
Und nicht verrückt.
Darren saß irgendwo auf einem Stuhl hinter ihr. Schweigend. Die Sekunden verstrichen, und sie fragte sich, warum er überhaupt noch da war.
Dann hörte sie es. Ein Schniefen, gefolgt von einem Schluchzen. Er weinte. Adele konnte sich nicht erinnern, ihn in all den Jahren, die sie verheiratet waren, jemals weinen hören zu haben. Langsam drehte sie den Kopf gerade so weit, dass sie ihn aus dem Augenwinkel beobachten konnte.
Sie sagte nichts, sondern wartete stumm. Er hatte sich auf seinem Stuhl vorgebeugt, die Ellbogen auf die Bettumrandung gestützt, das Gesicht in den Händen verborgen. Seine Schultern zuckten. Adele holte tief Luft. Ihre Lungen brannten. Sie atmete aus. Streckte den Arm aus und berührte seinen Ellbogen mit einer Fingerspitze.
»Schscht«, machte sie. »Alles wird gut.«
Er blickte auf. »Warum hast du mir das denn nie erzählt?«
»Ich … ich habe mich geschämt. Ich dachte, keiner würde mich mehr … wollen. Ich war völlig gestört.«
»Adele.« Er schluckte mehrmals in dem Versuch, sich zusammenzureißen. »Du bist nicht gestört. Du bist wunderbar. Du bist immer wunderbar gewesen.«
»Du hast mich damals nicht gekannt.«
»Das stimmt. Du hast nie über deine Familie gesprochen. Als wir uns kennenlernten, habe ich dich danach gefragt, aber du hast gesagt, du hättest keine Familie mehr.«
»Das stimmt auch.«
»Du hast dem Lieutenant doch gerade erzählt, dass du drei Brüder hattest. Eine Mutter.«
»Sie sind nicht mehr am Leben.«
Er runzelte die Stirn. »Sie sind alle tot?«, fragte er ungläubig.
»Ja. Alkohol und Drogen. Schusswunden. Alkohol am Steuer. Bis ich achtzehn wurde, waren alle weg, und ich war allein. Mein jüngster Bruder hielt am längsten durch. Er hatte mir versprochen, die Finger von Drogen zu lassen, keinen Ärger zu machen. Aber dann kam ich eines Tages von der Arbeit, und er lag erschossen in unserer Wohnung. Wahrscheinlich gierige Junkies. Er hatte gedealt, und zwar von uns zu Hause aus. Ich hatte seit der Sache mit dem Senator schon vorher überall Schatten gesehen und litt unter Verfolgungswahn, aber als ich Andy fand, brach ich total zusammen.«
Mitgefühl hatte in seinen Augen gestanden, doch als sie den Senator erwähnt hatte, war die Empfindung wildem Zorn gewichen. »Und dann musstest du in die Nervenklinik.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Ja. Da habe ich Dr. Theopolis kennengelernt, bei dem ich auch am Dienstag war. Es ging mir langsam wieder besser. Ich fand Arbeit, Freunde, ging aufs College. Lernte dich kennen.«
Der Zorn in seinen Augen wich Zärtlichkeit. »Hättest du mir das von dem Senator erzählt, hätte ich dir geglaubt. Und ich hätte dich niemals für verrückt gehalten. Oder für paranoid. Es tut mir leid, Adele, bitte verzeih mir, dass ich dir unterstellt habe, du würdest mir fremdgehen. Aber du hast dich so seltsam benommen, und ich … na ja, ich hatte immer schon Angst, dass du eines Tages aufwachen und feststellen würdest, du hättest einen Fehler gemacht. Dass du mich besser nicht geheiratet hättest.«
»Aber wieso das denn? Weil deine erste Frau dich verlassen hat?«
Sein Lächeln geriet etwas schief. »Kann sein. Vielleicht bin ich paranoid.«
»Ich hätte es dir gesagt«, flüsterte sie. »Aber ich musste erst Beweise haben, dass mir tatsächlich jemand nach dem Leben trachtete. Ich war bei einem Privatdetektiv.«
»Ich weiß. Deine Freundin Krissy hat die Polizei angerufen, als
Weitere Kostenlose Bücher