Todesküste
sofort am Apparat.
»Mensch, wo steckst du denn?«, brachte Friedjof
aufgebracht hervor. »Da war einer an deinem Handy. Der war richtig aufgeregt.
Er sagte, dass es jetzt brennt und sie hinter ihm her sind. Er hat geschimpft
und gefragt, warum du nicht ans Telefon gehst.«
»Hat er seinen Namen gesagt?«
»Klaro. Holl.«
»Sonst noch etwas? Wer zum Beispiel hinter ihm her
ist?«
»Nix. Nur dass es wichtig ist. Er haut ab zum
Schmuggelstieg. Das soll ich dir ausrichten.«
»Danke, Friedjof, ich weiß Bescheid.«
Der Bürobote stutzte einen Moment. »Wieso sagst du
nicht Friedhof zu mir?«, fragte er dann.
»Das erkläre ich dir später. Du hast jedenfalls
großartig mitgeholfen.«
»Das wäre noch besser gewesen, wenn ich dich auf
meinem Handy erreicht hätte. Aber da war nur die Mobilbox dran. Ich glaube, der
Akku ist leer. Du hast vergessen, das Ladegerät mitzunehmen.«
Lüder ärgerte sich. Friedjof hatte recht. Holl schien
in Bedrängnis zu sein. Und hätte Lüder nicht das Handy getauscht, hätte der
Mann ihn früher erreicht.
Die Fahrt von Holls Wohnung zum angegebenen Ziel
erschien den beiden Polizisten unendlich weit. Das GPS führte sie an der U-Bahn-Station und Norderstedts neuer
Mitte zur Ulzburger Landstraße, die sich durch große Teile der lang gestreckten
Stadt zog. Im Vorbeifahren sah Lüder eine Hinweistafel. Er nahm sich vor,
Friedjof, den Fußballfan, zu fragen, ob ihm bekannt war, dass der HSV sein Trainingsgelände in Norderstedt
unterhielt.
»Hinter deinem Sitz liegt eine schusssichere Weste«,
sagte Lüder.
»Die ist nicht für mich bestimmt«, lehnte Große Jäger
ab.
»Wenn es sich wirklich um unseren Serienmörder
handelt, der hinter Holl her ist und den die Zeugen als Geist beschrieben
haben, dann kann es gefährlich werden. Wir wissen, dass der Mörder äußerst
brutal vorgeht. Wenn wir am Einsatzort ankommen, kann es unter Umständen um
Bruchteile von Sekunden gehen. Da macht es Sinn, wenn du mit der Weste
voranpreschst«, erklärte Lüder. »Außerdem muss ich mich hinter deinem Rücken
verstecken, da ich keine Waffe dabeihabe.«
»Manchmal frage ich mich, wie der höhere Dienst es
überhaupt in die Polizei geschafft hat«, lästerte Große Jäger und angelte nach
der Weste. Er befreite sich vom Sicherheitsgurt und versuchte, sich die
Schutzkleidung überzustreifen.
»Ich werde es nie verstehen, weshalb die Dinger nicht
für normale Körpermaße geschneidert werden«, stöhnte der Oberkommissar und
mühte sich, seinen Schmerbauch unterzubringen.
Lüder schmunzelte, als er Große Jägers Anstrengungen
mit einem Seitenblick registrierte. Sein Beifahrer mühte sich ab wie weiland
Frau Kommerzienrat, die ihre Speckfalten in ein Korsett zu zwängen suchte.
»Hört diese Straße überhaupt nicht mehr auf?«, grollte
der Oberkommissar vom Beifahrersitz und machte ein unglückliches Gesicht, weil
seine Körperfülle doch arg in der Weste drückte. »Man kann den Eindruck
gewinnen, Norderstedt wäre fast so groß wie Husum.«
»Welche Stadt reicht schon an deine? Niemand sonst
hätte einen Polizisten wie dich verdient«, neckte ihn Lüder und hielt an einer
roten Ampel. Dann zeigte er auf die gegenüberliegende Seite der Kreuzung. »Da
drüben ist der Schmuggelstieg.«
Lüder hielt direkt vor der Buchhandlung, von der Holls
Nachbarin berichtet hatte. Ein anderes Fahrzeug hinter ihm hupte. Der Fahrer
ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herab und schrie Lüder an: »Bist du
blind? Hier darfst du nicht halten.«
Große Jäger hatte sich inzwischen aus dem Auto
gewuchtet. Die Schutzweste schränkte seine Beweglichkeit erheblich ein. »Fahr
weiter, du Grottenmolch«, rief er zurück und deutete durch Spreizen von Daumen
und Zeigefinger einen kleinen Abstand an. »Deiner ist doch nur so groß.«
»Frechheit«, schimpfte der Autofahrer zurück. »Dich
sollte man …« Er ließ die Antwort offen und zog es vor, Gas zu geben. Dabei
drückte er unablässig auf die Hupe.
»Man sollte die Polizei rufen«, mischte sich eine
wohlbeleibte grauhaarige Frau ein, und der hagere Mann an ihrer Seite stimmte
eifrig ein, zog es dabei aber vor, sich vorsichtshalber hinter dem Rücken
seiner Gattin zu verstecken.
Das Ehepaar erschrak, als Große Jäger direkt auf sie
zusteuerte. » Ich bin die Polizei. Und wenn Sie nicht gleich
verschwinden, kette ich Sie hiermit an. Buh.« Er klimperte mit den
Handschellen. Erschrocken folgten die beiden Lüder in die Buchhandlung.
»Hallo«, fragte
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