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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Lüder eine junge Verkäuferin am
Kassentresen. »Kennen Sie Herrn Holl?«
    Die Frau sah ihn mit großen Augen an. »Jaaa.«
    »Ist er hier?«
    »Der ist schon wieder weg.«
    »Wie lange?«
    »Vielleicht zehn Minuten. Was soll das Ganze?«
    »Danke«, rief ihr Lüder zu und verließ den Laden.
    Große Jäger beobachtete inzwischen die Straße.
Jenseits der Kreuzung war eine Spielhalle. Daneben kündigte ein Lokal mit dem
sinnreichen Namen »Einstein« an, dass es »einfach genial« sei.
    »Wir gehen die Straße entlang«, schlug Lüder vor.
»Jeder auf einer Straßenseite.«
    »Was wollen Sie ohne Waffe ausrichten?«, fragte Große
Jäger, der das »Sie« einfach nicht ablegen wollte.
    Lüder zeigte auf eine leichte Ausbeulung unter seinem
Sommerpullover.
    »Sie haben mich mit der Schutzweste reingelegt«,
empörte sich Große Jäger.
    »Hättest du sie sonst angezogen?«
    »Sie haben Kinder. Auf mich wartet nur ein Hund. Und
ob der mich noch ansieht, nachdem ich mich so lange nicht gemeldet habe,
bezweifle ich.«
    »In Deutschland ist man obrigkeitshörig. Da schießt
man eher auf einen Oberkommissar als auf einen Kriminalrat.«
    »Umgekehrt wäre logischer. Der Oberkommissar kostet
den Steuerzahler später nicht so viel Pension.«
    Lüder klopfte Große Jäger auf die Schulter. »Los
jetzt. Zum Diskutieren brauchen wir beide ein Bier. Und das haben wir jetzt
nicht. Du gehst auf die andere Straßenseite.«
    »Immer müssen die niederen Dienstgrade die weiten Wege
zurücklegen«, maulte Große Jäger gespielt beleidigt und überquerte die Straße.
    Langsam schlenderten die beiden Beamten die Straße
hinab. Lüder warf einen kurzen Blick in eine Drogerie und die Filiale einer
Kaffeekette, während Große Jäger auf der anderen Straßenseite die Schaufenster
der Stadtschlachterei passierte. Leuchtend rote Plakate priesen die Angebote
an. Lüder registrierte, wie der Oberkommissar einen Moment innehielt und sich
gedankenverloren die Werbung besah.
    Von Holl war nichts zu sehen. Auch der geheimnisvolle
Geist blieb unsichtbar. Die Menschen trotteten gemächlich durch die Straße.
    Ob es besser gewesen wäre, das SEK oder zumindest Verstärkung anzufordern?, überlegte
Lüder. Wonach sollten sie suchen? Nach einem »Leprakranken«? Lüder hatte sich
anders entschieden. Bisher hatte der unheimliche Mörder seine Taten stets im
Verborgenen verübt. Es war ein eiskalt berechnender Killer, der nicht
blindwütig ein Blutbad anrichtete. Deshalb hoffte Lüder, dass er und Große
Jäger auch ohne Unterstützung weiterer Einsatzkräfte auskommen würden, selbst
wenn das weder lehrbuchmäßig war noch die Zustimmung seines Vorgesetzten finden
würde. Und Große Jäger, der wie ein harmloser Spaziergänger auf der anderen
Seite entlangschlenderte, sah nicht aus wie jemand, der sich hinter einer
Einsatzhundertschaft versteckte.
    Lüder passierte eine Bankfiliale, während der
Oberkommissar an einem Geschäft namens »Schatzkiste« vorbeilief und
unfreiwillig die Aufmerksamkeit auf sich zog, als er ein vor dem benachbarten
Juwelier aufgestelltes Reklamestellschild umrannte. Ab hier war der
Schmuggelstieg nur noch Fußgängerzone. Eine Litfaßsäule und die einer alten
Laterne nachempfundene Beleuchtung waren eher eine Straßenmöblierung als eine
wirkliche Zierde.
    Neben dem Haus des Juweliers führte ein schmaler
Durchgang hinter das Gebäude. In einem flachen Anbau daneben war eine
Änderungsschneiderei untergebracht. Die Häuserfront wurde an dieser Stelle
durch einen kleinen Wasserlauf unterbrochen, der von einem bewaldeten
Grünstreifen begleitet wurde. Nach rechts führte ein Weg in die Anlage. Daran
schloss sich eine Kirche an. Ein Schaukasten wies auf die St.-Annen-Kirche hin,
während auf der anderen Seite ein Schild verriet, dass die dort beginnende
Ladenzeile mit einem halben Dutzend Geschäften die Schmuggelstieg-Galerie war.
Am Ende der Passage stieg der Weg ein wenig an und mündete auf die lebhafte
Langenhorner Chaussee, die selbst einem Ortsfremden wie Lüder ein Begriff war.
    Lüder war froh, dass zu dieser Stunde nur wenige
Passanten unterwegs waren. Eine Frau mit Kopftuch schob einen Kinderwagen und
redete unablässig auf ein zweites Kind ein, das neben ihr hertrottete und den
Eindruck erweckte, dass es anderer Meinung als die Mutter war.
    Die Schaufensterfront der Ladenpassage wurde durch ein
Vordach geschützt, dessen Stützen dicht mit Efeu bewachsen waren und das so
einer Art Wandelgang glich. Die Pfeiler hatten

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