Todesküste
haben Sie die Folgemieten?«
»Vom Schwarzen. In bar. Immer pünktlich.«
»Er ist zu Ihnen gekommen?«
Rothers griente den Oberkommissar an. »Nee. Ich bin zu
ihm.«
»Unter welchem Namen hat sich der Mieter bei Ihnen
vorgestellt?«
Wieder trat der Ausdruck ehrlichen Bedauerns in
Rothers’ Gesicht. »Keine Ahnung. Der hat nie einen Namen genannt. Und reden
konnten wir auch nicht. Der konnte nämlich kein Deutsch. Nicht ein Wort.«
»Sie hätten ja Englisch sprechen können«, sagte Große
Jäger.
»Wieso das?«, entrüstete sich der Hausverwalter. »Wo
sind wir denn hier?«
»Hatte der Mann Besuch?«
»Nie. Er hat auch immer nur in der Bude gehockt und
ist nachts spazieren gewesen. Oder spätabends – jetzt, wo es draußen so lange
hell ist. Nur einkaufen war er. Im Supermarkt.«
»Wie lange hat er in Ihrem Keller gehaust?«
»Vier Monate.«
Mehr war vom Hausverwalter nicht in Erfahrung zu
bringen.
»Sie schließen jetzt ab, und niemand betritt den Raum.
Niemand! Haben Sie das verstanden? Wir schicken unsere Kollegen von der Technik
vorbei«, schärfte ihm Große Jäger ein.
Rothers nickte ergeben.
Wenig später saßen sich Lüder und Große Jäger wieder
im Büro des Oberkommissars gegenüber. Große Jäger hatte neuen Kaffee besorgt
und rauchte.
»Es hat den Anschein, als hätte sich der Mann in
diesem Keller versteckt. Und ein Kontaktmann hat das eingefädelt. Ein
Deutscher, während wir vermuten, dass das Opfer früher einmal in der US -Army gedient hat und Amerikaner ist«,
überlegte Lüder laut.
»Warum verschafft ihm der Deutsche, wenn wir ihn so
nennen wollen, diesen Unterschlupf? Der Tote muss vor jemandem geflüchtet sein.
Seine Verfolger haben ihn aber doch gefunden und umgebracht.«
Lüder stimmte Große Jäger zu. »Und wenn der ›Deutsche‹
nun Steffen Meiners war, das erste Mordopfer aus Heide?«, überlegte er laut und
rief Hauptkommissar Markus Schwälm an.
»Wir haben noch keine weiteren Erkenntnisse«,
berichtete der Leiter der Itzehoer Mordkommission. »Es ist wie verhext, aber es
finden sich im persönlichen Umfeld des Opfers keine Anhaltspunkte. Und auch bei
der Suche nach dem ›Leprakranken‹ sind wir nicht vorangekommen. Der scheint ein
Phantom zu sein und nur in der Fantasie der Zeugen zu existieren. Ich schiebe
es auf die mittelalterliche Kostümierung während des Heider Marktfriedens.«
Lüder bat Schwälm um Zusendung eines Fotos von
Meiners. Das würden sie dem Hausverwalter zeigen. Dann wandte er sich wieder
Große Jäger zu. »Im Blut des Schwarzen wurde Heroin gefunden. Zwar nur in
geringen Mengen, aber immerhin.«
»Im schlimmsten Fall haben wir es mit einer gut
organisierten Bande von Rauschgiftdealern zu tun«, überlegte der Oberkommissar
laut. »Dafür könnte auch das professionelle Vorgehen bei der Ermordung der
beiden Männer sprechen.«
Lüder wiegte den Kopf. »Man sollte nie etwas
ausschließen. Aber wie hängt der Familienvater aus Heide in der Sache drin? Es
gibt bisher keine Ansatzpunkte für kriminelle Aktivitäten des Mannes.«
»So etwas nennt man Saubermann«, sagte Große Jäger
doppeldeutig. »Noch ‘nen Kaffee?«
Lüder lehnte dankend ab und fuhr nach Kiel zurück.
Auf der Schreibtischplatte lagen diverse Zettel
verteilt, die Lüder ein wenig ratlos hin und her schob. Er hatte sich zu den
unterschiedlichsten Aspekten der beiden Mordfälle Notizen gemacht und
versuchte, sie in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Aber es gelang ihm
nicht. Welch abstrusen Gedanken er auch folgte – Steffen Meiners aus Heide
passte nicht in das Bild. Lüder hatte noch einmal die zur Verfügung stehenden
Datenbestände durchforstet. Es fand sich nirgendwo ein Hinweis auf eines der
beiden Mordopfer. Während er erneut eine Notiz um eine Theorie ergänzte, trat
Friedjof ins Zimmer. Lüder sah auf.
»Hallo, Friedhof. Ist es nur Papier, was du dort
hereinschleppst, oder lieferst du endlich einmal Lösungen?«
Friedjof gab der Tür einen leichten Stoß mit dem Knie
und setzte sich auf den Besucherstuhl, nachdem er ein paar Schriftstücke auf
die Schreibtischecke gelegt hatte.
»Kommen Sie nicht weiter, Herr
Oberhauptkriminalmeister?«, fragte der Bürobote.
»Ich bin genauso ratlos wie die sportliche Leitung von
Holstein Kiel«, lästerte Lüder über Friedjofs Lieblingsverein. Prompt sprang
der junge Mann darauf an.
»Die haben nur Pech gehabt. Und so einer wie du hat
überhaupt keine Ahnung davon. Wer fährt schon mehrfach die Woche mit dem Rad
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