Todeslauf: Thriller (German Edition)
verlieren drohte. Vielleicht würden sie an der nächsten Ausfahrt abfahren und ein ungestörtes Plätzchen suchen, wo sie mich loswerden konnten.
Nein. Das nächste Ausfahrtschild zog vorüber. Ein leichter Regen fiel vom granitgrauen Himmel. Der Truck rollte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
Ich begann vorsichtig nach vorne zu kriechen. Langsam und gleichmäßig, den Kopf tief unten, um zu vermeiden, dass mich irgendein Autolenker sah. Schließlich riskierte ich einen kurzen Blick nach hinten. Piet war wieder auf der Autobahn; sein Van war hinter uns, wenn auch nicht zu nahe.
Der Regen wurde stärker und machte das Metall rutschig. Für den nächsten Schritt brauchte ich einen festen Halt, doch die Natur hatte meine Aufgabe noch schwieriger gemacht.
Ich erreichte das vordere Ende des Lkw-Aufbaus. Das Dach des Fahrerhauses war gut einen halben Meter unter mir. Ich hätte leicht auf das Dach gelangen können, aber dann hätte mich jemand vom Gegenverkehr gesehen. Heute besaß jeder ein Handy; ich wollte nicht, dass die französische Polizei eine Meldung hereinbekam, dass ein Verrückter beim Lkw-Surfen auf der Autobahn gesehen wurde.
Die andere Möglichkeit war, mich in dem schmalen Zwischenraum zwischen Fahrerhaus und Aufbau hinunterzulassen – und das machte ich auch, mit den Füßen voran und dem Rücken zum Fahrerhaus. Der Lkw holperte über eine Unebenheit im Asphalt, und mein rechter Fuß rutschte weg. Die Schwerkraft packte mich, und meine Hand fing sich in dem Kabelgewirr hinter dem Fahrerhaus. Mein Fuß landete auf einer Stahlstrebe, und ich sah unter mir die Straße zwischen den mächtigen Rädern vorbeirauschen.
Ich atmete tief durch. Jetzt oder nie.
Langsam schob ich meinen Arm mit Piets Pistole um die Ecke des Fahrerhauses. Ich hatte vor, die Beifahrertür zu erwischen, sie aufzureißen und mich hineinzuschwingen. Und das alles möglichst ohne dass mich der Wächter aus dem dahinbrausenden Fahrzeug zurück ins Freie stieß. Der Wind peitschte mir den Regen in die Augen.
Ich schob den Kopf um die Ecke und blickte in das Gesicht eines Mannes, der sich aus dem Fenster beugte.
65
Die Augen des Beifahrers weiteten sich vor Schreck, als er plötzlich jemanden hinter dem Fahrerhaus stehen sah; er war um die vierzig und stämmig gebaut.
Für drei Sekunden war die Zeit wie erstarrt. Dann zuckte seine Schulter, und er riss den Arm hoch.
Ich zog schnell den Kopf hinter das Fahrerhaus zurück, da drückte er schon ab. Die Kugel schlug mit einem hellen Funken gegen das Metall und pfiff in den Regen hinaus.
Der Truck wurde herumgeworfen, schwenkte auf die andere Fahrspur, und gleich wieder zurück.
Sie versuchten mich abzuschütteln. Ich hielt mich, so gut es ging, an dem regennassen Metall fest und sah Piet auf der Fahrerseite heranbrausen, dass eine Gischtfontäne von seinen Reifen wegspritzte. Im nächsten Augenblick kam ein gedämpfter Schuss aus dem Truck, der Piet treffen sollte.
Ich nahm an, dass der Fahrer nicht gleichzeitig lenkte und feuerte und dass es also der Beifahrer war, der auf Piet schoss. Jetzt blieb nur noch rohe Gewalt, ganz gezielt eingesetzt. Rasch schwang ich mich nach vorne und hörte einen weiteren Schuss krachen. Ich riss die Tür auf, doch eine Hand versuchte sie wieder zuzuziehen.
Mit der Hand am Türgriff glitt ich auf dem rutschigen Trittbrett aus, und meine Füße baumelten wenige Zentimeter über dem Asphalt.
Ich ließ die Pistole fallen. Sie prallte gegen das Metall, auf die Straße hinunter und wurde von den riesigen Rädern zermalmt.
Das Fenster direkt über mir explodierte. Glassplitter schossen heraus, und ich spürte einen stechenden Schmerz auf der Kopfhaut. Der Beifahrer feuerte wie wild. Ich zog die Beine zur Tür herauf, bedeckte meinen Kopf mit einem Arm und warf mich in einer einzigen fließenden Bewegung mit dem Kopf voran durchs Fenster. Ich schlug mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen, stieß mich ab und rammte dem Beifahrer den Ellbogen gegen den Hals, dass er gegen den Fahrer krachte.
Ich hatte fünf Sekunden, um diesen Kampf zu gewinnen. Der Fahrer wechselte seine Pistole von der linken Hand in die rechte und richtete sie auf mich. Er drückte ab, und die Kugel streifte glühend heiß meine Kopfhaut. Ich packte den Lauf der Waffe und riss ihn nach unten. Der Fahrer musste eine Hand am Lenkrad lassen und drückte erneut reflexartig ab; die Kugel schlug in den Sitz unter dem Bein des Beifahrers ein. Er schrie auf und wand sich in seiner
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