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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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Messingknauf, den die Maklerin nun triumphierend ergriff. Die Tür ging auf, und Ella, die sich gerade erst an das Dämmerlicht in der dunklen Wohnung gewöhnt hatte, musste blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Vor ihr offenbarte sich ein Raum, den sie nur als Saal bezeichnen konnte.
    Sie setzte vorsichtig einen Schritt hinein und fühlte sich wie eines der Kinder in den Büchern über Narnia, die hinter einem Schrank eine neue Welt entdeckt hatten. Im Saal brannte im Unterschied zum Flur und den übrigen Zimmern Licht. Zwei kleinere und ein riesiger Kronleuchter ließen den Raum förmlich in Licht baden, obwohl es draußen nachtschwarz war. Große kirchenartige Fenster dominierten zwei der Wände in dem nahezu quadratischen Saal, den sie auf ungefähr achtzig Quadratmeter schätzte. In der Ecke zwischen den beiden mit Fenstern versehenen Wänden befand sich ein Erker, in dem auf einem kleinen Säulentisch ein Schachspiel aufgestellt war. Mitten im Raum stand ein Esstisch. Obwohl das Esstischarrangement mit seinen zwölf Stühlen einigen Raum einnahm, verlor es sich fast in dem riesigen Saal. In einer Ecke stand eine kleine Sitzgruppe, bestehend aus einem Sofa und zwei Sesseln mit großflächig gemustertem Bezug, während sie in einer anderen Ecke die Rückseite eines einzelnen, mit Blumenmuster versehenen Ohrensessels mit zugehöriger Fußbank vor einem Kachelofen erblickte. Mitten an einer der etwas kürzeren Wände, die keine Fenster besaßen, prangte der Spiegel. Ella konnte sich nicht erinnern, jemals einen größeren gesehen zu haben. Er streckte sich majestätisch in Richtung Decke, und sie konnte die Putte auf dem Aufsatz seines vergoldeten Rahmens lediglich erahnen. Ohne eine Expertin zu sein, schätzte sie, dass der Spiegel aus dem späten 18. Jahrhundert stammte. Die ausladenden Formen des Rokoko dominierten die Verzierung des Rahmens. Ein Spiegel dieser Größe würde niemals große Summen einbringen, falls er je bei einer Auktion verkauft würde. Er war schlicht und einfach zu groß. Die Anzahl potentieller Käufer war aus natürlichen Gründen gering und der Preis entsprechend niedrig. Sie blieb stehen und betrachtete sich darin vor dem weitläufigen Raum. Die gut gekleidete Maklerin trat neben sie und störte das Bild ein wenig.
    »Na, was meinen Sie?«, hörte sie eine Stimme sagen.
    Die Stimme war schwach und heiser und gehörte nicht der Maklerin. Ella fuhr erstaunt herum, während ihr Blick auf den einzeln dastehenden Sessel fiel. Sie konnte gerade noch zwei schmale sehnige Beine erkennen, die auf der Fußbank gestanden hatten, bevor sie hinter dem mächtigen Rücken verschwanden. Ella ging mit entschlossenen Schritten auf den Sessel zu und ließ die Maklerin vor dem Spiegel stehen. Im Sessel saß die zierlichste Dame, die Ella je gesehen hatte. Den Falten in ihrem gerunzelten Gesicht nach zu urteilen musste sie an die zweihundert Jahre alt sein, dachte Ella und lächelte sie an. Die Frau, die vermutlich nicht mehr als vierzig Kilo wog, atmete angestrengt, und die Hand, die sie zum Gruß vorstreckte, zitterte.
    »Lovisa«, brachte sie während des Ausatmens hervor.
    Neben dem Sessel stand ein Gerät, das man in der Krankenpflege einen Sauerstoffkonzentrator nannte. Der Apparat, der so groß wie ein Staubsauger war, gab ein zischendes Geräusch von sich und versorgte die alte Dame über einen dünnen Plastikschlauch mit sauerstoffreicher Luft. Ella stellte fest, dass die Frau trotz des Sauerstoffschlauchs, der in ihre Nase führte, die Halsmuskulatur bis hinunter zum Schlüsselbein zum Atmen zu Hilfe nehmen musste. Ihre Lippen waren blau, und bei jeder Ausatmung formte sie sie zu einem schmalen Strich, durch den sie die Luft hinauspresste. Als Ella ihre kalte Hand ergriff, sah sie, dass ihre Finger wie Trommelschlägel geformt waren. Sie war ein wanderndes oder besser gesagt sitzendes Lehrbuchbeispiel für das Endstadium einer respiratorischen Insuffizienz. Mit anderen Worten waren ihre Lungen dabei, ihr den Dienst zu versagen, und jegliche Energie, die die schmale Dame aufbringen konnte, verwendete sie, um ihr Blut mit Sauerstoff zu versorgen.
    »Ella.«
    »Eleonor«, entgegnete die Frau.
    In ihren eisblauen Augen lag eine gewisse Schärfe. Ella spürte, wie der Blick der alten Frau immer tiefer in sie eindrang.
    »Ella Andersson«, versuchte sie es erneut.
    Die Frau schüttelte den Kopf und verzog den Mund. Ella hatte Schwierigkeiten einzuschätzen, ob es ein Lächeln darstellen

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