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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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betete ein Ave Maria.
    Garraty blickte besorgt zu ihm hinüber.
    »Wie viele Warnungen hat er schon?« erkundigte Pearson sich.
    »Soweit ich weiß, keine«, antwortete Baker.
    »Hm, aber er sieht nicht gut aus.«
    »Das tut zu diesem Zeitpunkt wohl keiner von uns«, gab McVries zu bedenken.
    Wieder versanken sie in Schweigen. Garraty spürte zum erstenmal, daß ihm die Füße weh taten. Nicht nur die Beine, die machten ihm schon seit einiger Zeit Schwierigkeiten, sondern jetzt auch die Füße. Ihm fiel auf, daß er schon seit längerem unbewußt auf den Außenkanten der Sohlen ging. Als er versuchte, mit dem ganzen Fuß aufzutreten, zuckte er vor Schmerz zusammen. Er zog den Reißverschluß seiner Jacke ganz hoch und schlug sich den Kragen um den Hals. Die Abendluft war feucht und kühl. . »He, seht mal, dort drüben!« rief McVries fröhlich.
    Garraty hob wie die anderen den Kopf und entdeckte einen kleinen, auf einem Grashang gelegenen Friedhof zu seiner Linken. Er war von einer kleinen Feldsteinmauer umgeben, und um die schrägen Grabsteine wallte der Nebel. Ein Engel mit zerbrochenen Flügeln starrte aus leeren Augenhöhlen auf sie herab, und auf einer verrosteten Fahnenstange, die wohl noch von irgendeinem patriotischen Feiertag dortgeblieben war, hockte ein Kleiber und blickte mit kek-ker Miene über sie hinweg.
    »Unser erster Friedhof«, sagte McVries. »Er ist auf deiner Seite, Ray, also verlierst du alle deine Punkte. Kannst du dich noch an das Spiel erinnern?«
    »Verdammt noch mal, du redest einfach zuviel!« schrie Olson plötzlich los.
    »Was hast du gegen Friedhöfe, Henry, alter Junge? Sie sind ein friedlicher, vertrauter Ort, wie der Dichter sagt. Ein schöner, wasserdichter Sarg -«
    »Halts Maul!«
    »Oh, la la«, sagte McVries. Seine weiße Narbe leuchtete hell im vergehenden Abendlicht. »Du hast doch nichts gegen den Gedanken zu sterben, nicht wahr, Olson? Wie der Dichter ebenfalls sagt: es ist nicht das Sterben an sich, es ist die Vorstellung, so lange im Grab liegen zu müssen. Ist es das, was dir Kummer macht, mein Junge?« Dann fing er an zu trompeten. »Sei getrost, Charlie, einst wird kommen der Tag, und eine bes -«
    »Laß ihn in Ruhe«, wies Baker ihn ruhig zurecht.
    »Warum sollte ich? Er redet sich die ganze Zeit ein, daß er jeden Augenblick kneifen könnte, wenn ihm danach ist. Er bildet sich ein, daß Sterben nicht so schlimm ist, wie alle Welt behauptet. Man legt sich einfach hin und es ist vorbei. Aber so leicht kommt er mir nicht davon.«
    »Wenn er nicht stirbt, stirbst du«, sagte Garraty.
    »Ah, ja, ich erinnere mich«, erwiderte McVries gedehnt. Wieder warf er Garraty dieses eigenartige, schiefe Lächeln zu, aber jetzt lag keine Spur von Humor mehr darin. McVries war stinksauer, und Garraty bekam fast Angst vor ihm. »Aber er vergißt das ja immer wieder, dieser Angeber hier!«
    »Ich werd's nicht mehr tun«, sagte Olson kleinlaut. »Ich habe das Ganze so satt.«
    »Er ist ganz scharf darauf zu siegen«, höhnte McVries und drehte sich zu Olsen um. »Das hast du doch gesagt, nicht wahr? Na, dann scheiß drauf! Warum fällst du nicht einfach um und stirbst gleich hier auf der Stelle?«
    »Laß ihn in Ruhe!« wiederholte Garraty energisch.
    »Hör mal, Ray -«
    »Nein, du hörst mir jetzt zu. Ein Barkovitch ist genug. Laß es ihn auf seine Art tun. Keine Musketiere, hast du das vergessen?«
    McVries lächelte wieder. »Na gut, Garraty, du hast gewonnen.«
    Olson sagte nichts mehr, sondern konzentrierte sich nur noch darauf, die Füße hochzuheben und wieder auf die Straße zu setzen.
    Um halb sieben war es endgültig dunkel geworden. Die Lichter von Caribou, das nur noch sechs Meilen vor ihnen lag, warfen einen gedämpften Schein an den Horizont. Nur wenige Menschen standen am Straßenrand, um sie in die Stadt hineinmarschieren zu sehen. Sie schienen alle an ihren Abendbrotstischen zu sitzen. Der Nebel wallte kühl um Gar-ratys Füße und hing in gespenstischen Schwaden über den Hügeln. Aber am klaren Himmel waren die Sterne zu sehen. Die Venus strahlte wie immer, und der große Bär stand an seinem gewohnten Platz. Garraty hatte sich in den Sternbildern schon immer gut ausgekannt und zeigte Pearson, der es mit einem Knurren zur Kenntnis nahm, die Kassiopeia.
    Sich selbst überlassen, dachte er an seine Freundin Jan und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil er das fremde Mädchen geküßt hatte. Er konnte sich schon nicht mehr daran erinnern, wie es ausgesehen

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