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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gingen an einem Holzlager vorbei. Die Waldarbeiter waren auf Holzstapel geklettert, wo ihre Silhouetten sich scharf gegen den Himmel abhoben, und winkten. Dann traten sie wieder in den Wald, und die Stille traf sie schlagartig. Aber natürlich war es nicht still. Die Marschierenden unterhielten sich miteinander, das Panzerfahrzeug brummte gleichmäßig, jemand ließ einen fahren, jemand lachte, und hinler Garraty weinte ein Junge leise und hoffnungslos vor sich hin. Die Straßenränder waren immer noch mit Zuschauern bevölkert, doch die große Masse des >Jahrhundertclubs< war verschwunden. Im Vergleich dazu war es richtig still. Vögel zwitscherten in den hohen Baumkronen, und eine kleine Brise seufzte wie eine verlorene Seele in den Zweigen und machte die Hitze für ein, zwei Augenblicke erträglicher. Ein kleines Eichhörnchen erstarrte mit buschig erhobenem Schwanz auf einem Ast. Es hielt eine Nuß in seinen rattenähnlichen Pfoten und richtete seine intensiven Knopfaugen auf sie. Plötzlich schnatterte es ihnen etwas zu und eilte dann in die höheren Regionen davon, um dort zu verschwinden. In weiter Ferne summte ein Flugzeug wie eine gigantische Fliege.
    Garraty hatte den Eindruck, daß die anderen ihn absichtlich mieden. McVries lief immer noch hinter Barkovitch. Pearson und Baker unterhielten sich übers Schachspielen. Abraham aß geräuschvoll und wischte sich die Hände an seinem Hemd ab. Scramm hatte einen Stoffetzen aus seinem T-Shirt gerissen und benutzte ihn als Taschentuch. Collie Parker tauschte mit Wyman Mädchenadressen aus. Und Olson -aber er mochte Olson, der sie alle zu Vorgängern seines eigenen nahenden Todes machen wollte, nicht einmal ansehen.
    Deshalb ließ er sich ganz vorsichtig, die drei Warnungen immer im Gedächtnis, zurückfallen, bis er Stebbins erreicht hatte. Stebbins lila Hose war inzwischen verstaubt, und un-ter den Achseln seines Flanellhemdes zeigten sich große Schweißflecken. Was immer er sein mochte, Superman war er nicht. Er blickte einen Augenblick zu ihm hoch, eine unausgesprochene Frage auf dem schmalen Gesicht, doch sofort senkte er wieder den Kopf. Sein oberster Halswirbel ragte deutlich am Rücken hervor.
    »Wieso sind hier nicht mehr Leute?« fragte Garraty zögernd. »Zuschauer, meine ich.«
    Einen Augenblick lang schien es so, als wolle Stebbins ihm nicht antworten. Schließlich blickte er wieder auf, wischte sich das Haar aus der Stirn und sagte: »Sie werden schon noch kommen. Warf s nur ab, sie werden in drei Schichten auf den Dächern sitzen, um dich zu sehen.«
    »Aber jemand hat mir erzählt, die Leute würden Billionen von Dollars auf den Marsch wetten. Man sollte doch annehmen, daß sie in Dreierreihen die gesamte Straße entlang stehen würden. Und daß das Fernsehen alles mitfilmen.«
    »Man hält sie davon ab.«
    »Wieso?«
    »Was fragst du mich das?«
    »Weil du es weißt!« antwortete Garraty ärgerlich.
    »Warum glaubst du das?«
    »Nun, du erinnerst mich an die Raupe aus Alice im Wunderland. Unterhältst du dich nie einfach nur so?«
    »Wie lange würdest du es aushallen, daß die Leute von beiden Seiten auf dich einbrüllen? Allein der Körpergeruch würde schon reichen, dich nach einer Weile in den Wahnsinn zu treiben. Es wäre so, als müßte man dreihundert Meilen am Neujahrsabend über den Times Square laufen.«
    »Aber sie lassen sie doch zusehen - oder nicht? Jemand hat gesagt, von Oldtown ab würde es nur noch eine einzige, riesige Menge sein.«
    »Jedenfalls bin ich keine Raupe, findest du nicht?« erwiderte Stebbins mit einem kleinen, geheimnisvollen Lächeln. »Ich bin eher der Kaninchentyp. Nur, daß ich meine goldene Uhr zu Hause gelassen habe und daß mich niemand zum Tee eingeladen hat. Nein, soweit ich weiß, hat das noch niemand getan. Vielleicht sollte ich mir das wünschen, wenn ich ge-winne. Wenn sie mich fragen, was ich gern als Preis hätte, sage ich einfach: >Ich möchte gern von jemandem zum Tee eingeladen werden. <«
    »Himmelherrgott!«
    Stebbins versuchte ein breiteres Lächeln, aber es blieb eine Übung im Lippenverziehen. »Ja, in Oldtown geht der Tumult los. Aber bis dahin denkt man nicht an solch mondäne Dinge wie Körpergeruch. Von Augusta ab wird der gesamte Marsch im Fernsehen übertragen. Schließlich ist er der Nation liebster Zeitvertreib.«
    »Und warum nicht schon hier?«
    »Zu früh«, antwortete Stebbins. »Zu früh.«
    Hinter der Kurve donnerten wieder die Gewehre los und scheuchten ein paar Fasane mit

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