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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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deinen dicken Schädel hineingekriegt? Sieh dir Olson an. Ein Totenkopf auf einer Stange. Sag du mir, daß er nicht sterben möchte. Das kannst du nicht. Der zweite Platz? Es ist schon schlimm genug, daß überhaupt einer von uns um seine wirkliche Absicht betrogen wird.«
    »Ich habe von diesen komischen Psychogeschichten keine Ahnung«, sagte Pearson abschließend. »Ich finde nur, daß niemand als zweitletzter aus dieser Sache hervorgehen sollte.«
    Garraty brach in Lachen aus. »Ihr seid bekloppt«, sagte er.
    McVries lachte mit. »Jetzt fängst du langsam an, es auf meine Art zu sehen. Noch ein bißchen mehr Sonne, so daß dein Gehirn noch etwas besser durchkocht, und wir machen noch einen echten Gläubigen aus dir.«
    Der Marsch ging weiter.
    Die Sonne schien jetzt genau auf dem Dachfirst der Welt zu stehen. Das Thermometer erreichte fünfundzwanzig Grad -einer der Jungen hatte ein Taschenthermometer bei sich -, und einige brütende Minuten lang schien die Säule auf sechsundzwanzig hochklettern zu wollen. Sechsundzwanzig, dachte Garraty. Sechsundzwanzig. Eigentlich gar nicht so heiß. Im Juli stieg das Thermometer zehn Grad höher. Sechsundzwanzig. Genau die richtige Temperatur, um sich im Garten unter die große Ulme zu setzen und einen Huhnsalat auf einem grünen Salatblatt zu verspeisen. Sechsundzwanzig. Gerade richtig, um sich kopfüber in die nächste Biegung des Royal River zu stürzen: wäre das nicht ein herrliches Gefühl? Das Wasser wäre an der Oberfläche ganz warm, aber unten würden kalte Strudel an den Beinen ziehen. Es gab Blutegel unter den Steinen, aber wenn man kein Feigling war, konnte man sie von den Beinen absammeln. So viel Wasser, das die Haut kühlte, die Haare, die Geschlechtsteile. Bei der Vorstellung fing sein erhitzter Körper zu zittern an. Sechsundzwanzig. Das war genau richtig, um sich bis auf die Badehose auszuziehen und sich mit einem guten Buch in die Hängematte im Garten zu verkrümeln. Und vielleicht darüber einzudösen. Einmal hatte er Jan zu sich in die Hänge-matte gezogen. Sie hatten geschaukelt und geschmust, bis sein Perus sich wie ein langer, heißer Stein an ihrem Unterleib angefühlt hatte. Es hatte ihr offenbar nichts ausgemacht. Sechsundzwanzig. O je, in einem Chevrolet, sechsundzwanzig Grad.
    Sechsundzwanzig. Sechsundzwanzigsechsundzwanzig-sechsundzwanzig. Es so lange sagen, bis es unsinnig wurde, bis es wegging.
    »Mir ist noch nie im Leben so heiß gewesen«, sagte Scramm durch seine verstopfte Nase. Sein breites Gesicht war knallrot und schweißüberströmt. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen und seinen zottigen Oberkörper entblößt. Der Schweiß rann an ihm herunter wie kleine Bäche bei der Frühjahrsschmelze.
    »Es wäre besser, wenn du das T-Shirt wieder anziehen würdest«, warnte Baker ihn. »Wenn die Sonne untergeht, wird es kalt, und dann bist du erst richtig in Schwierigkeiten.«
    »Diese verdammte Erkältung«, sagte Scramm. »Ich verbrenne noch.«
    »Es wird regnen«, tröstete Baker ihn und suchte mit den Augen den leeren Himmel ab. »Es muß einfach regnen.«
    »Verdammte Scheiße, es muß überhaupt nichts!« rief Collie Parker dazwischen. »Ich habe noch nie solch einen beschissenen Staat erlebt!«
    »Wenn er dir nicht gefällt, dann geh doch nach Hause!« sagte Garraty und kicherte töricht.
    »Leck mich!«
    Garraty zwang sich dazu, mit dem Wassertrinken vorsichtig zu sein. Er wollte keine Bauchkrämpfe bekommen, das wäre eine höllische Art, dabei draufzugehen. Er hatte einmal Wasserkrämpfe gehabt, und das reichte. Damals hatte er seinen Nachbarn, den Elwells, beim Heueinfehren geholfen. Auf dem Scheunenboden war es stickig heiß gewesen, und sie hatten die siebzig Pfund Ballen in einer Arbeitskette hinaufgeworfen. Garraty hatte den taktischen Fehler begangen, drei Becher voll Eiswasser hinunterzukippen, das Mrs. Elwell ihnen herausgebracht hatte. Plötzlich hatte er betäu-bende Schmerzen in seiner Brust, seinem Bauch und im Kopf gespürt, war in dem losen Heu ausgerutscht und haltlos durch die Luke auf den Lastwagen hinuntergefallen. Mr. Elwell hatte ihn mit seinen .hornigen Arbeitshänden am Bauch festgehalten, während er sich über den Rand des Hängers hinweg übergeben und sich vor Scham und Schmerzen ganz schwach gefühlt hatte. Sie hatten ihn nach Hause geschickt, den kleinen Jungen, der seinen ersten Männlichkeitstest in den Sand gesetzt hatte. Mit Schrammen an den Armen und Heuhalmen im Haar war er nach Hause gegangen, und die

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