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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Holzfeuern und dem verpesteten Fluß, der den kommenden Magenkrebs ankündigte. Sie sahen konische Sägemehlhaufen, die höher als die Gebäude in der Innenstadt waren. Riesige Haufen von zerstampftem Holz ragten wie Monolithe in den Himmel. Garraty döste und träumte seine undeutlichen Wunschträume von Erleichterung und Erlösung, bis ihm jemand - nach einer Ewigkeit, wie es schien-in die Rippen stieß. Es war McVries.
    »Wassislos?«
    »Wir kommen jetzt auf die Autobahn«, sagte McVries. Er war ganz aufgeregt. »Es heißt, daß sie eine ganze Scheißgarde von Soldaten auf der Auffahrtsrampe postiert haben. Wir bekommen einen Vierhundert-Schuß-Salut!«
    »Und die vierhundert ritten in das Tal des Todes«, murmelte Garraty und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Ich habe heut nacht schon zu viele Drei-Schuß-Salute gehört. Nicht interessiert. Laß mich weiterschlafen.«
    »Darum geht's nicht. Wenn sie fertig sind, werden wir ihnen einen Salut verpassen.«
    »Aha?«
    »Ja. Ein Sechsundvierzig-Mann-Pfeifkonzert.«
    Garraty lächelte schwach. Es war ein steifes, ungewohntes Gefühl auf den Lippen. »Stimmt das?«
    »Selbstverständlich! Na ja, ein Vierzig-Mann-Pfeifkonzert. Ein paar von den Jungs sind schon ziemlich hinüber.«
    Olsons Bild tauchte kurz vor Garratys Augen auf, der menschliche Fliegende Holländer.
    »Na gut, ich mach' mit.«
    »Dann komm zu uns nach vorn.«
    Garraty lief ein bißchen schneller. McVries und er schlössen sich dichter an Pearson, Abraham, Baker und Scramm an. Die beiden Lederjackenjungen hatten den Abstand ihrer Vorhut weiter verkürzt.
    »Ist Barkovitch auch dabei?« fragte Garraty.
    McVries schnaubte verächtlich. »Er hält es für die größte Idee seit der Erfindung des Klopapiers.«
    Garraty schlug die Arme um seinen Leib, um sich gegen die Kälte zu schützen, und lachte traurig. »Ich wette, der hat eine ganz gemeine Art zu pfeifen an sich.«
    Sie liefen parallel zur Autobahn. Die steile Böschung erhob sich zu ihrer Rechten, und über ihren Köpfen leuchteten wieder riesige Bogenlampen, diesmal fahl und käseweiß. Etwa eine halbe Meile weiter vorn bog die Auffahrtsrampe von der Straße ab und wand sich in einem großen Bogen zur Autobahn hinauf.
    »Achtung, wir kommen«, sagte McVries.
    »Cathy!« rief Scramm so plötzlich, daß Garraty zusammenfuhr. »Ich habe noch nicht aufgegeben, Cathy!« Er blickte Garraty mit seinen blanken, fiebrig glänzenden Augen an, schien ihn aber nicht zu erkennen. Seine Wangen waren gerötet, die Lippen spröd und von Fieberblasen aufgebrochen.
    »Ihm geht es nicht so gut«, sagte Baker entschuldigend, als ob er diesen Ausbruch verursacht hätte. »Wir haben ihm immer wieder einen Schluck Wasser gegeben und ihm auch ein bißchen über den Kopf geschüttet, aber jetzt.ist seine Feldflasche fast leer. Und wenn er eine neue möchte, muß er selbst danach rufen. So lauten die Regeln.«
    »Scramm«, sagte Garraty.
    »Wer ist da?« Scramms Augen rollten unkontrolliert in ihren Höhlen.
    »Ich bin's. Garraty.«
    »Oh. Hast du Cathy gesehen?«
    »Nein«, antwortete Garraty verlegen. »Ich -«
    »Achtung, wir kommen«, rief McVries noch mal. Der Jubel der Menge wurde wieder lauter, und aus der Dunkelheit tauchte geisterhaft ein grünes Hinweisschild auf: INTERSTATE 95 AUGUSTA PORTLAND PORTSMOUTH RICHTUNG SÜDEN.
    »Das gilt uns«, flüsterte Abraham. »Gott helfe uns auf dem Weg nach Süden.«
    Die Auffahrtsrampe wand sich unter ihren Füßen nach oben, und sie traten in den Schein der ersten Bogenlampen. Der neue Straßenbelag fühlte sich viel glatter an, und Garraty empfand wieder das inzwischen vertraute An- und Abschwellen seiner freudigen Erregung.
    Die Soldaten der Nationalgarde hatten die Zuschauer an beiden Seiten der spiralförmigen Rampe zurückgedrängt. Sie standen ruhig da und hielten die Gewehre schräg vor dem Körper. Ihre Schmuckuniformen leuchteten prachtvoll; ihre Kollegen wirkten auf dem verstaubten Panzerfahrzeug dagegen richtig schäbig.
    Es war, als tauchte man plötzlich aus einer tosenden Meeresbrandung auf und in die Stille der klaren Luft hinein. Im Augenblick waren nur noch ihre Schritte und ihre schnellen, heftigen Atemzüge zu hören. Die Rampe schien kein Ende zu nehmen, und den ganzen Weg entlang standen die Soldaten in ihren scharlachroten Uniformen und hielten die Gewehre für den Salut in Bereitschaft.
    Und dann dröhnte die elektronisch verstärkte Stimme des Majors durch die Nacht: »Prä-sentiert die

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