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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gottes willen, steh auf!«
    »Es ist nicht fair!« heulte Garraty. Er hatte einen verschmierten Streifen von Olsons Blut auf der Wange. »Es ist einfach nicht fair!«
    »Ich weiß. Nun mach schon. Komm mit.«
    Garraty stand auf. McVries und er eilten mit raschen Schritten zur Gruppe zurück, ohne den Blick von Olson zu lassen, der immer noch auf der Straße kniete. Jetzt stand er auf. Seine Füße befanden sich genau auf der weißen Mittellinie. Er hob beide Hände in den Himmel. Die Zuschauermenge stöhnte leise.
    »ICH HABE ALLES FALSCH GEMACHT!« rief er mit zitternder Stimme, fiel um und war tot.
    Die Soldaten pumpten noch zwei Kugeln in seine Leiche und zogen ihn dann eilig von der Straße.
    »Ja, das war das.«
    Gut zehn Minuten liefen sie schweigend nebeneinander her, und Garraty empfand schon allein McVries' Anwesenheit als tröstlich. »Ich fange langsam an, so etwas wie einen Sinn darin zu sehen, Pete«, sagte er schließlich. »Es gibt da ein Muster. Es ist nicht völlig sinnlos.«
    »So? Verlaß dich nicht drauf.«
    »Er hat mit mir gesprochen, Pete. Er war nicht tot, bevor sie ihn erschossen haben. Er lebte.« Es kam ihm jetzt so vor, als sei dies die wichtigste Erkenntnis aus seiner Begegnung mit Olson. Er wiederholte es noch einmal. »Er lebte!«
    »Ich finde nicht, daß das einen großen Unterschied macht«, sagte McVries und seufzte müde. »Er ist nur eine Nummer. Eine gezählte Leiche. Nummer dreiundfünfzig. Das heißt, daß wir dem Ende ein Stück näher gekommen sind, aber mehr hat es nicht zu bedeuten.«
    »Das glaubst du doch nicht wirklich?«
    »Sag du mir nicht, was ich glaube oder nicht glaube!« erwiderte McVries ungehalten. »Kannst du es nicht einfach auf sich beruhen lassen?«
    »Es hat uns immerhin bis dreizehn Meilen vor Oldtown gebracht«, sagte Garraty.
    »Na großartig!«
    »Weißt du, wie es Scramm geht?«
    »Ich bin nicht sein Arzt. Kümmere dich doch selbst um ihn.«
    »Was, zum Teufel, ist mit dir los?«
    McVries lachte ungestüm. »Na, du bist gut! Wir laufen hier, und du fragst mich, was mit mir los ist! Ich mache mir Sorgen um die Einkommensteuer für das nächste Jahr, das ist mit mir los! Ich mache mir Sorgen um den Getreidepreis in Süddakota, das ist mit mir los! Olson fielen die Gedärme heraus, Garraty, am Ende ist er noch weitergelaufen und ihm hingen die Gedärme heraus - das ist mit mir los, das macht mich fertig!« Er hörte abrupt auf, und Garraty sah, wie er darum kämpfte, sich .nicht zu übergeben. Plötzlich sagte er: »Scramm geht es schlecht.«
    »Schlecht?«
    »Ja. Collie Parker hat ihm die Stirn gefühlt. Er sagt, daß er innerlich verbrennt. Er redet im Fieber. Von seiner Frau und Phoenix und Flagstaff und dann ganz wildes Zeug über Hopis und Navajos und Kachinapuppen - es ist schwer zu verstehen.«
    »Wie lange kann er noch gehen?«
    »Wer kann das wissen? Es ist immer noch möglich, daß er uns alle überlebt. Er ist stark wie ein Büffel, und er strengt sich unheimlich an. Gott, bin ich müde.«
    »Und was ist mit Barkovitch?«
    »Dem geht langsam ein Licht auf. Er hat kapiert, daß viele von uns froh wären, wenn es ihn endlich erwischen würde. Aber er hat beschlossen, wenigstens mich zu überleben, der lästige kleine Scheißer. Es gefällt ihm nicht, wie ich auf ihm herumhacke. Bescheuerte Sache, ich weiß.« Er stieß wieder sein häßliches Lachen aus. Garraty gefiel der Klang gar nicht. »Aber er hat Angst gekriegt. Er schreit nicht mehr so viel herum, sondern konzentriert seine Kraft auf die Beine.«
    »Das geht uns allen so.«
    »Ja. Wir sind bald in Oldtown, nicht wahr? Dreizehn Meilen?«
    »Richtig.«
    »Darf ich dir etwas sagen, Garraty?«
    »Klar. Ich nehm' es mit ins Grab.«
    »Ich glaube, das ist wahr.«
    Jemand aus der ersten Zuschauerreihe ließ einen Knallfrosch los, und MC Vries und Garraty zuckten vor Schreck zusammen. Einige Frauen kreischten. Ein stämmiger Mann hinter der Absperrungsleine mampfte eine Handvoll Popkorn und brüllte: »Verdammt noch mal!«
    »Der Grund, warum das alles so schrecklich ist«, fuhr McVries fort, »liegt darin, daß es so trivial ist. Verstehst du mich? Wir haben uns und unsere Seelen für Trivialitäten verkauft. Olson war trivial. Er war auch wunderbar, aber das eine schließt das andere nicht unbedingt aus. Er war wunderbar und trivial. Egal, wie man es betrachtet, er ist wie ein Käfer unter einem Mikroskop gestorben.«
    »Du bist genauso schlimm wie Stebbins«, sagte Garraty vorwurfsvoll.
    »Ich

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