Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
sich wieder zu konzentrieren, stierte auf den kämpfenden Körper unter ihm, der ungeahnte Kräfte freisetzte. Panisch ruderten Maritas Arme, sie spürte zweifelsohne, wie die Kraft sie zu verlassen drohte, und Alexander presste umso fester, je schneller er sie stieß. Sie hatte keine Chance, nicht die geringste.
Als wenige Augenblicke später das Leben aus Maritas blaugrünen Augen wich und ihr Körper kraftlos in sich zusammensank, ejakulierte Alexander Bertram, und ein heftiges Zittern durchlief seinen gesamten Körper. Genau so hatte er sich diesen Moment vorgestellt. Eben noch der hoffnungsvolle Glanz, dann das lodernde Feuer der Verzweiflung, alles in einem Augenblick vereint. Unmittelbar danach der verklärte Moment der Erkenntnis, dass es kein Entkommen gibt, und dann, Sekunden später, entweicht die Seele und hinterlässt nichts als stumpfe Leere.
Hättest du dich doch bloß dabei filmen lassen, dachte er, als er das Mädchen eine Viertelstunde später, wieder in ihren Kimono gehüllt, im Hausflur ablegte. Dann hätte ich dich öfter besucht. Er schaute sich ein letztes Mal um, ob er auch nichts vergessen hatte. Das mit Sperma gefüllte Kondom hatte er in Klopapier gewickelt und eingesteckt, den Camcorder hatte er ebenfalls dabei, und auch das Geld steckte wieder im Portemonnaie. Alexander schloss die Tür mit dem Jackenärmel über der Hand, um keine Abdrücke zu hinterlassen. In der Wohnung hatte er alles abgewischt, inklusive des Mädchens, doch er war sich sicher, dass so viel Aufhebens gar nicht nötig war. Was sollte es der Polizei denn bringen, in einer Hurenwohnung, die täglich von mehreren Männern aufgesucht wurde, sämtliche Abdrücke zu nehmen? Nein, es würde ganz anders laufen. Aus den Nachrichten wusste Bertram, dass dieses Viertel in Hanau-Steinheim ein absoluter Brennpunkt war, erst vor wenigen Wochen hatte es eine tödliche Schießerei gegeben. Die tote Hure würde wohl dem Konto eines serbischen Zuhälters zugeschrieben werden, der hier einige Wohnungen mit Mädchen am Laufen hatte, obwohl die Siedlung seit Jahren von Weißrussen kontrolliert wurde. Ein Kollateralschaden im Bandenkrieg also, das konnte Alexander Bertram nur recht sein.
Um 22.18 Uhr stieg er in die S-Bahn Richtung Offenbach, wo er um 22.32 Uhr an der Haltestelle Ledermuseum eintraf, gerade pünktlich, um in aller Ruhe zum Kino zurückzuschlendern und sich im Foyer unter die begeisterten Besucher des Batman-Films zu mischen.
Montag, 19.24 Uhr
L angsam entstieg Julia Durant dem nach Lavendel duftenden Schaumbad und schlang sich ein großes, weißes Frotteehandtuch um den dampfenden Körper. Es war ihr herzlich egal, dass es außerhalb der angenehm kühlen Wohnung noch über 25 Grad hatte. Baden geht immer, war ihr Standpunkt, und schon in der Sachsenhäuser Wohnung hatte Julia dies oft und gerne getan. Das Badezimmer hier, in ihrem neuen Domizil, übertraf das alte um ein Vielfaches. Nirgendwo in der geräumigen Wohnung hatte Susanne Tomlin beim Einrichten gespart, warum auch, sie besaß nun mal eine Menge Geld. Doch diese Medaille hatte eine Kehrseite, die weder Susanne noch Julia je vergessen würden. Ohne Zweifel hätte Susanne ihren Reichtum jederzeit dafür eingetauscht, die schrecklichen Erlebnisse des Herbstes 1995 ungeschehen zu machen: ihr Ehemann ein kaltblütiger Killer mit tiefgreifender Persönlichkeitsstörung, die Familie zerschlagen, die Zelte in Deutschland abgebrochen. Das wog kein Geld der Welt auf. Leider konnte Julia Durant das mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Vielleicht hatte sie deshalb das Geschenk annehmen können, diese tolle neue Wohnung, die ihr schon immer gefallen hatte, ein Geschenk unter Freundinnen, deren Freundschaft jenseits aller irdischen Werte lag. In zwölf, nein dreizehn Jahren hatte niemand ihr mehr Kraft gegeben als Susanne, aber auch Julia war dieser eine nicht zu ersetzende Bezugsperson.
Sie entfaltete das Handtuch, setzte sich auf den Rand der Badewanne und rieb sich Arme und Beine trocken.
Dem Architekt war es gelungen, dass eine geräumige Eckbadewanne, ein breiter Spiegelschrank, ein beheizter Handtuchhalter und eine Duschkabine sich im Raum verteilten, ohne beengend zu wirken. Im Gegenteil, wenn man in den Spiegel blickte, der am schmalen Ende gegenüber der Tür hing, glaubte man beinahe, in der Halle eines römischen Bades zu stehen. Zwei unterschiedlich hohe Terrakottasäulen mit Kübelpflanzen und helle sandfarbende Fliesen an der unteren Wandhälfte und auf
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