Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
du«, lächelte sie und nahm in der Mitte der Couch Platz. Alina wählte den Sessel, der nicht mehr direkt gegenüber, sondern im rechten Winkel neben der Couch stand.
Da weder die Psychologin noch die Kommissarin an belanglosem Smalltalk interessiert waren, kam das Gespräch zügig auf das Thema Arbeit. Julia Durant hatte bei ihrem letzten Treffen noch davon berichtet, wie erleichtert sie sei, dass in Kürze ihre vier Wochen Innendienst zu Ende gingen. Für den Abend vor ihrer ersten Wochenendbereitschaft war sogar noch ein Treffen angedacht gewesen, welches Julia jedoch kurzfristig abgesagt hatte. Es kam ihr heute also sehr entgegen, dass Alina Cornelius von sich aus darauf zu sprechen kam. Während sie eine Flasche französischen Rotwein entkorkte, aus einer Kiste, die Julia ihr mitgebracht hatte, und die beiden bauchigen Gläser auf dem Tisch großzügig befüllte, murmelte sie: »Samstag war es doch, oder? Bist jetzt also wieder richtig im Dienst.« Sie stellte die Flasche zurück auf den Tisch, schob eines der Gläser zu Julia und erhob das ihre. »Darauf sollten wir anstoßen.«
Julia Durant nahm ebenfalls das Glas hoch, schüttelte aber mit gepressten Lippen den Kopf. »Lieber nicht«, sagte sie leise.
»Oje, so schlimm?« Alina schien in diesem Moment peinlich bewusst geworden sein, dass in der Regel jemand sterben musste, bevor Julia Durant tätig wurde. Sie stellte schnell das Glas zurück und beugte sich vor. »Tut mir leid, Julia, ich hab einfach nicht nachgedacht. Ich weiß doch selbst, dass dein Job, nein, sogar unser beider Jobs, vom Leid anderer abhängig sind. Sorry, okay?«
»Schon gut.« Julia nippte an ihrem Glas und entschied, dass es für ihr Anliegen wohl kaum einen besseren Zeitpunkt geben würde als jetzt. »Hör mal, Alina, ich hätte genau deshalb etwas mit dir zu bereden. Ich brauche deine Hilfe.«
Sie beobachtete die Reaktion ihres Gegenübers, war sich jedoch nicht ganz sicher, ob sie darin eher Verwunderung oder Neugier sah. Ärger jedenfalls war es nicht, das war schon mal gut.
»Das sind ja ganz neue Seiten«, lächelte die Psychologin sanft und trank ebenfalls einen Schluck. »Finde ich gut.«
»Echt?«
»Klar, warum denn nicht?«
»Na ja, weil du von dir aus nie was gesagt hast.«
Alina lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
»Einer der größten Fehler, den du als Psychotherapeut machen kannst, ist, dich deinem Gegenüber aufzuzwingen. Ich hätte dich niemals zu irgendetwas gedrängt, wobei ich schon öfter das Gefühl hatte, dass es dir nicht gutgeht. Aber die menschliche Psyche hat da ihren eigenen Rhythmus, weißt du? Helfen kann man jemandem erst, wenn er selbst geholfen bekommen möchte.«
Julia Durant kamen einige Momentaufnahmen ihrer alten Fälle in den Sinn, die Sache Tomlin etwa oder Achim Kaufmann.
»Dann müsste Zwangseinweisung ja pauschal zum Scheitern verurteilt sein, oder?«, fragte sie zweifelnd.
»Na ja, zumindest ist es ein sauschwerer Einstieg«, nickte Alina Cornelius. »Aber ich glaube, du wolltest auf etwas anderes hinaus.«
»Hmmm, stimmt.« Julia fühlte sich unwohl in ihrer Haut, klang die Stimme ihrer Freundin doch plötzlich so anders; irgendwie so … analysierend. Aber sie gab sich einen Ruck und begann zu erzählen. In wenigen Sätzen umriss sie das grausame Verbrechen an Jennifer Mason, erwähnte außerdem ihre Begegnungen mit Riva und Johnson – natürlich ohne Namen zu nennen. »Aber das Schlimmste«, schloss sie, »ist für mich dabei, dass ich als leitende Beamtin, zumindest sollte ich das wohl werden, behandelt werde wie das fünfte Rad am Wagen! Ich meine, was krieg ich denn schon groß mit von den Ermittlungen? Erst musste ich zu Hause sitzen, weil nicht alle Beamten auf einmal herumspringen sollen. Kann ich ja noch verstehen. Die anderen ziehen derweil pärchenweise los, um Verhöre durchzuführen. Bei der Dienstbesprechung sitzen dann alle da, und ich muss ihnen jede Info aus der Nase ziehen. Dann, gegenüber der Gerichtsmedizin, bringe ich mich mal ein wenig ein, um auch ein paar Infos abzugreifen. Doch bevor ich was damit anfangen kann, drückt mir der Berger ne Audienz aufs Auge, in der er mir eröffnet, dass ich den Fall besser wieder abgebe. Scheiße«, sie schniefte und wischte sich mit dem Handrücken schnell eine Träne aus dem Augenwinkel, »wie soll ich so denn jemals wieder Fuß fassen?«
Alina erhob sich langsam, setzte sich neben ihre Freundin und legte ihr sanft den Arm um die Schulter.
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