Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
jedenfalls. Es wurde also eine Streife vom 5. Revier hingeschickt, und die stießen, wie vom Anrufer wohl präzise beschrieben, auf einen verschlossenen Raum in einer alten Fabrik. Die Beamten brachen die Tür auf und fanden, auf einer Matratze liegend, Carlo Stiegler. Tot, übel zugerichtet und dank Ausweis eindeutig zu identifizieren.«
»Schrecklich«, entfuhr es Julia, und sie erhob sich. »Wir fahren sofort hin.« Doch dann hielt sie inne, seufzte, setzte sich wieder und zeigte auf Frank Hellmer, der Seidels Bericht wortlos gelauscht hatte. »Ich meinte natürlich, dass Frank und Sabine gleich losfahren.« An Hellmer gerichtet, fügte sie hinzu: »Ist Sabine schon da?«
»Müsste jeden Augenblick kommen.« Er stand auf. »Ich werde sie draußen abpassen und ihr unterwegs alles erklären.«
»Dann bekommst du die Akte«, lächelte Doris und reichte ihm das besagte Objekt.
»Danke, zum Glück habe ich ja alles mitbekommen.« Er erwiderte Doris’ Lächeln und verließ gemeinsam mit ihr das Büro.
Julia lächelte nicht. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie vor Hellmer und Seidel so impulsiv aufgesprungen war. Und es störte sie, dass die Sache zwischen ihr und Frank noch nicht geklärt war.
Außerdem fiel Kullmer nun wohl die undankbare Aufgabe zu, die Mutter zu kontaktieren. Oder sollte sie das dem Dreamteam Hellmer/Kaufmann aufs Auge drücken?
Ein Zucken in Julias Brustbein unterbrach ihre düsteren Gedanken. Nein, bitte nicht, dachte sie. Seit Monaten hatte sie dieses unangenehme Gefühl nicht mehr gespürt, dieses plötzliche, unkontrollierbare Stolpern in der Herzgegend, gefolgt von einer kalten Enge, als zöge sich ein eisernes Band um den Brustkorb. Doch wie hatte Alina Cornelius es vor knapp zwei Jahren ausgedrückt: »Du kannst zwar lernen, damit umzugehen, aber du kannst es nicht kontrollieren.«
Julia Durant griff zum Telefonhörer, um ihre Freundin anzurufen.
Montag, 9.33 Uhr
W ärst du mal lieber über die Eschersheimer gefahren«, kommentierte Sabine Kaufmann, als sie Hellmers Stirnrunzeln bemerkte. Sie hatten für ganze fünf Streckenkilometer beinahe zwanzig Minuten Fahrzeit gebraucht.
»So ein Quatsch. Spätestens am Metropolis hätten wir dann ne halbe Ewigkeit gestanden.« Hellmer ärgerte sich, dass seine junge Kollegin ihm reinredete, ärgerte sich außerdem, dass sie wohl gar nicht so falsch lag mit ihrer Einschätzung, ärgerte sich genau genommen über alles. In Wahrheit, doch dies konnte er sich noch nicht eingestehen, ärgerte sich Frank Hellmer aber hauptsächlich über sich selbst. Das neue Navigationssystem des Porsche wusste ebenso wenig wie das alte, dass man die morgendliche Rushhour in Frankfurt nicht einfach ignorieren durfte. Bis neun, halb zehn herrschte auf den Zubringerstraßen Krieg, da änderten auch die Sommerferien nichts daran. Im Gegenteil: Während dieser Zeit schossen kleine und große Baustellen wie Pilze aus dem Boden, und zufällig wusste Hellmer genau, dass deshalb die vom Navi empfohlene Route über die B8/B40, Habsburgerallee, Rothschildallee, die sich dem Zielgelände von Osten her näherte, zu dieser Stunde die schlechteste aller Alternativen war. Stattdessen war er nach einer vielversprechend kurzen Ampelphase am Nibelungenplatz (noch mit triumphierendem Blick in Richtung seiner Beifahrerin) in die Friedberger Landstraße Richtung Süden abgebogen, wo ihn dann aber zuerst der Rückstau am Friedberger Platz und anschließend die geänderte Verkehrsführung am Hessendenkmal trafen.
Endlich, nachdem die beiden Kommissare wenigstens die Hanauer Landstraße einigermaßen fließend hinter sich gebracht hatten, hielt der Porsche in der Sonnemannstraße vor dem riesigen, rundum mit Baugittern abgesperrten Gelände der Großmarkthalle.
»Mein lieber Scholli«, entfuhr es Hellmer, als er die gelben Gerippe der Baukräne sah, die hinter dem mächtigen, rotbraunen Ziegelbau hervorragten. Von den einst fünfzehn Tonnengewölben des zweihundert Meter breiten Gebäudekomplexes erkannte Hellmer noch zwölf, gesäumt wurde der Überbau von zwei Quergebäuden, die das Dach um zwei Etagen überragten und aus der Ferne wie Wachtürme wirkten. Er vermochte nicht abzuschätzen, ob die Halle Hunderte oder sogar Tausende Fenster hatte, die sich wie riesige Glasbausteine über die gesamte Gebäudebreite erstreckten. Doch die Abrissbirnen hatten in den vergangenen Tagen gute Arbeit verrichtet, Glassplitter und Metallstreben bildeten riesige Berge. Die Bauarbeiten
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