Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
vergleichen.«
»Trotzdem eine lustige Vorstellung«, beharrte Hellmer, »dass Peter Kullmer, der alte Macho, seiner wie am Spieß schreienden Tochter die Windeln wechseln muss, mitten auf der Zeil, schweißgebadet und unter Zeitdruck.« Er kicherte.
»Bist aber auch fies«, sagte Julia, ebenfalls kichernd. Sie sah sich nach einem Aschenbecher um, doch es gab nur einen rotlackierten, zerbeulten Mülleimer, aus dem eine prall gefüllte Plastiktüte quoll. Julia ließ ihre Zigarette auf den Boden fallen und zertrat sie.
»Hast du noch eine?«, fragte sie leise.
»Auf Kette, wie?«, entgegnete Hellmer und nahm dabei seinen letzten Zug. »Versaust du dir damit nicht den Schnitt?«
»Ich zähl nicht mit, nicht an solchen Tagen«, gestand Julia. »Aber andererseits hat mein Päckchen in der Küche fast zwei Wochen gehalten, heute Morgen habe ich die letzte rausgenommen. Also, was ist?«
Hellmer zog zwei weitere Glimmstengel aus dem Karton, es verblieb eine letzte darin, wie Julia sehen konnte.
Julia inhalierte den ersten Zug, stieß den Rauch aus und seufzte.
»Andere Leute essen stattdessen, haben immer irgendwelche Riegel oder Bonbons einstecken. Aber mal ehrlich: Könntest du nach so einer Szene irgendwas zu dir nehmen?«
»Sicher nicht. Außerdem wäre das kein guter Ersatz, glaub mir.« Er klopfte sich auf die Hüften. »In unserem Alter legt man doch jedes Gramm Süßes sofort zehnfach auf die Rippen.«
»Vielen Dank auch!«, erwiderte Julia lakonisch.
»Egal, Themawechsel«, sagte Hellmer versöhnlich. »Was machen wir jetzt?«
»Du fährst nach Hause, nimmst eine Mütze Schlaf oder so, damit du später wieder fit bist. Ich warte im Präsidium auf Ergebnisse von Andrea, telefoniere mir die Finger wund und sorge dafür, dass Schreck & Co. sich mit voller Hingabe dem Handy und dem Laptop widmen.«
»Und es gibt noch die Aufnahme, vergiss das nicht.«
»Den Anrufer meinst du?«, fragte sie stirnrunzelnd. »Das prüfen die in der Leitstelle doch sowieso, also die Herkunft und all das.«
»Dachte nur, ich sag’s noch mal«, gab Hellmer zurück. »Immerhin auch hier wieder eine anonyme Quelle. Muss natürlich nichts heißen, aber wer weiß …«
Julia wurde hellhörig. »Du meinst doch nicht etwa, dass es hier eine Verbindung gibt, oder?«
»Eigentlich nicht«, verneinte Hellmer. »Nein, wenn du so fragst, es gibt da wohl wirklich keinen Zusammenhang. War nur so ein Impuls, es hat mich halt gewundert, warum jemand einen Leichenfund anonym melden sollte. Ich meine, wenn es einfach nur einer der Nachbarn war, zum Beispiel.«
»Wir werden es herausfinden«, sagte Julia Durant.
Donnerstag, 9.25 Uhr
M it einer speziellen Codekarte deaktivierte ein Mitarbeiter des zuständigen Sicherheitsunternehmens das Alarmsystem der Villa. Er war erst vor wenigen Minuten eingetroffen, außer Atem und mit einer missmutigen Entschuldigung auf den Lippen. Sabine Kaufmann und Peter Kullmer hatten bereits ungeduldig im Nachtigallenweg auf ihn gewartet. Unweigerlich, dessen war Kullmer sich sicher, waren sie dabei der wachsamen Nachbarin aufgefallen, die sich jedoch bislang nicht hatte blicken lassen. Genau genommen war er nicht sonderlich böse darum.
»So, Sie können hinein«, murrte der Wachmann, ein junger Kerl, kaum älter als dreißig, dunkler Kurzhaarschnitt, stämmig und mit breiten Schultern. Er trug eine Art Uniform, eine dunkelblaue Kombi, die Hose war einige Zentimeter zu kurz, auf der Weste prangte das gestickte Logo der Firma, einmal vorn auf der Brust, ein zweites Mal in großen Lettern auf dem Rücken.
»Schafft man es nicht zur Polizei, dann geht man zur Security und bekommt ein so fesches Outfit, dass man sich fühlt, als gehöre man zum FBI«, hatte Kullmer seiner Kollegin zugeraunt, als der junge Mann aus seinem Wagen gestiegen war.
»Danke«, wandte er sich nun zu ihm. »Wie läuft das nachher mit dem Wiederverschließen?«
»Kommt drauf an, wie lange Sie brauchen«, erwiderte der Wachmann mit gleichgültiger Miene.
»Gute Frage«, dachte Kullmer laut. »Warten Sie doch bitte ein paar Minuten hier draußen, wir geben Ihnen Bescheid, sobald wir Genaueres wissen.«
»Hm-hm.« Der Wachmann trollte sich die Treppe hinab, nahm auf der untersten Stufe Platz, klackte kurz darauf ein Benzinfeuerzeug auf und entzündete sich eine Zigarette.
»Wollen wir?«, fragte Kullmer und stieß die Tür auf.
»Ladies first!«, antwortete Kaufmann und drängte sich an ihm vorbei.
»Pass bloß auf«, zischte
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