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Todesmuster

Todesmuster

Titel: Todesmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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stören. Sollte wirklich mal einen Schirm kaufen. Jetzt durch? Egal, eh schon spät. Tropfen wie kleine Wasserbomben auf der Stirn, auf den Stehtischen bei Sener kleine Explosionen, schnell rein. Drinnen nur ein Gast, Sener spült Gläser mit mürrischem Gesicht.
    »’n Abend, Sener. Mann, was für ein Wetter. Hoffentlich nur ein Schauer.« Kurzer Blick, kein Wort.
    »Ist noch Zeit für ein Bier oder müssen wir gleich los?« Wieder kein Wort, wieder zwei Blicke wie aus der Hüfte geschossen. Was ist denn mit dem los? Was passiert?
    »Ist Viertel nach zehn.« Er sieht sich weiter beim Spülen zu.
    »Ja. ’ne Viertelstunde. War noch was zu tun, bin nicht eher losgekommen.«
    Er hört zu spülen auf, stemmt die nassen Hände in die Hüften, es tropft.
    »Wir hatten nicht Viertel nach abgemacht. Du bist zu spät.«
    »Ja, tut mir Leid, Sener. Ich dachte, es wäre nicht so wichtig. Wir fahren da hin, holen das Ding und fertig, ob um zehn oder viertel nach zehn.«
    »Zehn oder viertel nach zehn.« Er gestikuliert mit der Rechten. »Abgemacht ist abgemacht. Pünktlichkeit ist wichtig.«
    »Wenn wir jetzt nicht mehr zu deinem Kumpel hinfahren können, tut’s mir Leid. Ich wusste nicht, dass das so eng ist.«
    »Ach!« Er winkt ab, fängt wieder an zu spülen. »Klappt eh nicht. Ali hat angerufen, es ist noch nicht fertig. Aber trotzdem: Zehn Uhr war abgemacht.«
    Das kann doch wohl nicht wahr sein.
    »Sener, das glaub ich doch jetzt nicht. Dein Kumpel hat das Ding noch nicht fertig, wir müssen da sowieso nicht hin, und du machst mich an, weil ich ’ne Viertelstunde zu spät bin?«
    Der Gast am Tisch ignoriert angestrengt.
    »Abgemacht ist abgemacht. Pünktlichkeit ist wichtig. Fünf Minuten vor der Zeit ist Soldatenpünktlichkeit.«
    »Sener, alter Schwede, wo sind wir denn hier? Ich habe einen scheißanstrengenden Tag gehabt, Ali sagt ab, und du machst mich an. Das brauch ich heute nicht mehr. Tschüss.«
    Er spült weiter mit leiser Unsicherheit, sieht nicht hoch.
    Draußen immer noch kleine Explosionen auf den Tischen. Eine Frau zieht ihren fetten Dackel nach Hause, er will nicht. Tritt ihn doch, dann läuft das Vieh schon.
    Soldatenpünktlichkeit …

SONNTAG
    08 Uhr 10
    Alle Behindertenparkplätze frei. Kurz auf den ersten, die drei Minuten geht das. Wenig Betrieb auf dem Bahnhofsvorplatz. Eine rot gefärbte Großmutter mit Riesensonnenbrille und Ascot-Hut keucht steifbeinig ihren Bahncaddy Richtung Taxistand. Fünf Riesenkoffer mit Regenschirm. Dafür braucht sie eigentlich einen Gabelstapler. Die Taxifahrer stehen vor ihren Autos, putzen Scheiben und palavern. Ja, ja, Dienstleistungswüste. Am Papierkorb rauchen drei bauchfreie Teenies mit Plateausohlen und reichlich Piercing. Sehr jung, kein Gepäck. Stricherinnen? Heute Morgen schon?
    Die Anzeigentafel rattert drinnen die Verspätungen durch die Halle, beim Bäcker zwei Kunden, einer in Badelatschen und Jogginganzug. Vier Normale und drei Croissants. Die ältere Verkäuferin mit Pony und Rattenschwänzen. Schon lange nicht mehr gesehen. Siebzigerjahre, da trug man so was doch. Die ist doch höchstens dreißig. Dichte Augenbrauen, die hellen Augen leuchten. Hübsch. Ärmellose Bluse, die Haare auf dem Unterarm schimmern wie Satin. Sie bückt sich nach einem Pappteller, die Bluse fällt auf, ihre Brust ist bis zum Warzenhof zu sehen.
    »Hallo, wie oft soll ich noch fragen? Noch nicht ganz wach? Was darf es sein?« Die Jüngere, leicht genervt von der Seite.
    »Äh, ja. Brötchen.«
    »Welche und wie viele?« Mit Überbetonung.
    Wie viele sind wir denn? Fünf Leute. Mehr werden’s leider nicht.
    »Zehn Brötchen, machen Sie mal halb und halb. Normale und mit Körnern.«
    Sie packt hektisch ein. »Bestimmte Körnerbrötchen?«
    »Machen Sie man. Irgendwas. Sie sind da ja die Fachfrau.«
    Sie reicht die Tüte ohne Lächeln, vier Euro zwanzig. Für zehn Brötchen. Unser täglich Brot gib uns heute. Die Teenies rauchen immer noch, die linke Hand unter der rechten Achsel, die rechte abgewinkelt. Zwei Taxifahrer verstauen Omas Koffersammlung in einem Kombi. Also, geht doch. An den Behindertenparkplätzen eine Politesse, tippt auf ihrem Handcomputer. Um diese Zeit schon. Mensch, Mädchen, es ist Sonntagmorgen.
    »Bin schon weg. Die Brötchen sind für meine kranke Großmutter.« Ganz der Schalk. Wieder kein Lachen. Nicht unbedingt der Comedystar heute Morgen. Sie lässt das Ding sinken, geht mit Dann-wollen-wir-noch-mal-Geste weiter.
     
    Die Sicherheitstür zur Wache

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