Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
gut geht. Anscheinend war sie letzte Nacht bei ihnen. Oh, aber das wissen Sie ja sicher schon – schließlich hat vorhin jemand hier angerufen.«
»Ja, vielen Dank«, sagte Fry. »Wann wird Mr. Mullen denn wieder aufwachen?«
»Irgendwann im Lauf des Nachmittags.«
»Ich muss sofort erfahren, wenn er wach und in der Lage ist, Fragen zu beantworten, Schwester.«
»Ich kann ja dem Polizisten da drüben Bescheid geben, oder? Der hängt doch bestimmt noch länger hier rum und geht uns auf die Nerven, hab ich recht?«
»Ich fürchte, ja.«
»Tja, hoffentlich haben wir mit dem Patienten weniger Probleme, wenn er aufwacht. Er hätte vorhin fast eine meiner Kolleginnen verletzt, als wir ihn ruhigstellen mussten.«
Fry wollte gerade die Station verlassen, blieb jedoch auf halbem Weg durch die Pendeltüren stehen. »Was soll das heißen, Sie mussten ihn ruhigstellen ?«
»Er ist völlig ausgeflippt, hat rumgeschrien, dass er nicht hierbleiben kann und dass er wieder rausmuss. Wissen Sie, wir haben in diesem Krankenhaus öfter mit Problemfällen zu tun, aber Mr. Mullen war wirklich in einer fürchterlichen Verfassung.«
»Er wollte bestimmt zurück zu sich nach Hause. Schließlich wusste er, dass seine Familie im Feuer gefangen war.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht...« Die Schwester zögerte, als habe sie Zweifel. »Ich nehme an, es steht mir nicht zu, das zu sagen, aber diesen Anschein hat es nicht gemacht. Wenn Sie mich zu diesem Zeitpunkt gefragt hätten, hätte ich gesagt, dass er Angst hatte.«
»Angst?« Fry warf noch einmal einen Blick auf Brian Mullen, der regungslos in seinem Bett lag. »Tja, was auch immer es war, er wird es vermutlich vergessen haben, wenn er aufwacht, oder?«
»Nicht unbedingt. Wir haben nur sein Gehirn und seinen Körper ruhiggestellt.Tief verwurzelte Ängste sind im Unterbewusstsein verankert. Und das Unterbewusstsein schläft nie.«
Nach dem erfolglosen Ausflug quer durch die Stadt und wieder zurück war Fry noch gereizter. Als sie beim Haus der Mullens anhielt, traf sie nur einen erbärmlich aussehenden uniformierten Polizisten vor dem Tor an. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wippte leicht auf den Zehenballen, als spräche er für eine Rolle in der Operette Die Piraten von Pensenze vor. Womöglich würde er jeden Moment »A policeman’s lot is not a happy one...« schmettern.
»Wo ist der Brandinspektor?«, fragte sie, als Murfin aus dem Haus auftauchte.
»Er ist losgesaust, um noch einen Happen zu frühstücken, der Glückspilz. Ich soll dir ausrichten, dass er nicht lange weg ist.«
»Ist die Spurensicherung schon hier?«
»Mir wurde gesagt, dass jemand unterwegs ist.«
Fry warf einen Blick auf das Team, das ihr zur Verfügung stand: ein Gilbert-und-Sullivan-Komparse und Gavin Murfin. Manchmal war es doch das Beste, die Dinge allein anzupacken.
Bernie Wilding musste abbremsen, als auf der Straße zwischen Foxlow und Bonsall abermals derselbe Traktor vor ihm auftauchte. Doch der Fahrer des Traktors steuerte eine Parkbucht an, um Bernie vorbeizulassen, und der Postbote sah, dass es Neville Cross war, dem dieYew-Tree-Farm gehörte. Sein Land grenzte unmittelbar an Rose Shepherds Garten an.
Bernie bremste bis zum Stillstand neben dem Traktor ab und drückte auf die Hupe, um den Farmer auf sich aufmerksam zu machen.
»Morgen«, sagte Cross.
»Ich dachte mir, ich erwähne es mal – ich habe vorher bei Bain House keine Antwort bekommen. Sie wissen schon, das Haus, in dem Miss Shepherd wohnt. Haben Sie sie vielleicht zufällig gesehen?«
»Nein, habe ich nicht. Wir bekommen sie im Ort nicht oft zu Gesicht.«
»Ja, ich weiß. Mir kam es allerdings ein bisschen merkwürdig vor. Die Post von gestern war auch noch in ihrem Briefkasten.«
Der Farmer nickte beinahe unmerklich. »Ich halte die Augen offen.«
»Vielen Dank.«
Bernie winkte und fuhr weiter. Er sah, wie der Traktor wieder auf die Straße einbog.Vermutlich würde er ihn ein weiteres Mal überholen, nachdem er Bonsall erreicht hatte. Manchmal kam es ihm so vor, als würden die Farmer den ganzen Tag einfach nur aus Spaß an der Freude auf den schmalen Straßen herumfahren. Sie genossen es, eine Plage zu sein mit ihren Traktoren und ihren mit Mist beladenen Anhängern. Hin und wieder hätte Bernie am liebsten eine Bombe unter einem der Anhänger befestigt.
4
L indsay Mullens Eltern wohnten am Hang oberhalb von Darley Dale, ein paar Meilen nördlich von Matlock. Fry
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