Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
Dinge, über die er nicht nachdenken wollte.
Cooper überraschte seinen Kater, indem er ihn auf den Arm nahm und hinter den Ohren kraulte. Randy bedachte ihn mit einem feindseligen Blick. Das gehörte nicht zur Routine. Schließlich war noch Futter da, das gefressen werden musste.
»Okay, schon gut. Das ist nicht dein Problem, ich weiß.«
Doch es hatte funktioniert und seinen Gedankengang unterbrochen. Er setzte die Katze wieder ab und wandte sich erneut seinen E-Mails zu. Wie viel ist eine Brasillion? Der war gut.
Selbstverständlich gab es noch mehr, was ihm durch den Kopf ging. Es war Freitag, der Tag, an dem Matt seinen Termin bei ihrem Hausarzt Dr. Joyce gehabt hatte. Matt wusste natürlich, dass sein Bruder um diese Zeit am Abend zu Hause war, doch er hatte keine Ahnung, was Ben im Lauf des Tages durchgemacht hatte.
Als ob sie bereits telepatisch Kontakt miteinander aufgenommen hätten, klingelte das Telefon. Ben hatte keinen Zweifel daran, wer anrief. Er konnte sich Matt in seinem Büro auf der Bridge-End-Farm vorstellen und sich seinen Gesichtsausdruck ausmalen, der sich mit jedem unbeantworteten Klingeln veränderte. Natürlich hätte er den Anruf einfach ignorieren können. Würde Matt dann vielleicht aufgeben und das Thema nie wieder erwähnen? Nein, das würde er nicht tun.
»Hallo, Matt.«
Es herrschte einen Augenblick lang Stille. »Woher wusstest du, dass ich es bin?«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Ich vergesse immer wieder, dass du bei der Kriminalpolizei bist.«
Matt klang ruhiger als bei ihrem Gespräch am Abend zuvor. War das ein gutes Zeichen oder nicht?
»Du hattest heute den Termin, nicht wahr?«
»Ja, den hatte ich.«
»Bist du jetzt schlauer als vorher?«, erkundigte sich Ben.
»Na ja, eigentlich schon.«
»Was hat er dir gesagt?«
»Nichts. Er hat mir einfach nur zugehört.«
»Aha. Und...?«
»Er ist ein schlauer Bursche, dieser Doktor«, sagte Matt.
»Mehr habe ich eigentlich gar nicht gebraucht, als jemanden, der mir zuhört.«
»Tja, das ist gut.«
Ben dachte darüber nach, dass er sich vielleicht genau dagegen weigerte – zuzuhören. Er hatte nicht hören wollen, was Matt sagte.
»Weißt du, was ich vermute?«, sagte Matt. »Ich glaube, ich habe mich deshalb so in die Sache mit Mum reingesteigert, damit ich mir keine Sorgen über wirkliche Probleme zu machen brauche.«
Sie waren also wieder bei den Euphemismen angelangt. Bei der Abmachung der Familie, bei der Fortsetzung der Heuchelei. Das war völlig normal.
»Auf jeden Fall dachte ich, es würde dich interessieren. War es richtig, dass ich angerufen habe?«
»Ja, das war richtig, Matt. Wir sehen uns wahrscheinlich am Wochenende.«
Wieder herrschte einen Augenblick lang Stille. Er konnte Matt förmlich denken hören. »Alles in Ordnung mit dir, Ben?«
»Ja, mir geht’s gut.«
Nachdem Ben das Gespräch beendet hatte, ging er zurück zu seinem Computer. In seiner Mailbox befanden sich noch ein Angebot für gefälschte Rolex-Uhren, das sein Spam-Filter nicht ausgesiebt hatte, und eine E-Mail mit den aktuellen Sonderangeboten eines CD-Onlineshops. Und er hatte eine E-Mail von Liz bekommen. Sie war nur kurz, bedeutete ihm aber mehr als alle anderen zusammen. Sie endete mit einem kleinen Smiley aus einem Doppelpunkt, einem Gedankenstrich und einer Klammer.
Es war seltsam, sich vorzustellen, dass das Internet womöglich Rose Shepherds Medium gewesen war, um mit der Außenwelt zu kommunizieren. E-Mails waren ein äußerst trügerisches Kommunikationsmittel. Man konnte die Bedeutung
der Worte von jemand anderem leicht missverstehen, wenn man seinen Tonfall nicht hörte und keinerlei Hinweise durch seinen Gesichtsausdruck oder seine Körpersprache bekam. Es bestand die Gefahr, dass man Ironie wörtlich nahm, dass man einen Scherz als Beleidigung verstand und dass es grundlos zu heftigen Auseinandersetzungen kam. Die Konversation wurde durch einen Filter übermittelt, der die Hälfte falsch machte wie irgendein unausgereiftes Übersetzungsprogramm.
Doch zumindest war es eine Form von Kommunikation. Cooper erinnerte sich an die Einstellung seiner Mutter, nachdem sie richtig erkrankt war und das Haus fast gar nicht mehr verließ. In ihrem Bett auf der Bridge-End-Farm liegend, hatte sie einmal in einem wachen Moment zu ihm gesagt, dass sie sich nicht sicher sei, ob die Welt überhaupt noch existiere. Als er sie gefragt hatte, woran das läge, hatte sie erklärt, sie habe keinen Beweis dafür, dass die Welt
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