Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
wohlüberlegten Worten:
»Habe heute Abend leider keine Zeit. Mein Freund kommt zu Besuch.«
9 . Kapitel
Wie hatte sie sich nur von dem Angebot des Isländers blenden lassen können?
Mit funkelnden Sternen in den Augen, so hell, dass sie erblindet war und den dunklen, bedrohlichen Schatten nicht gesehen hatte.
Sie spürte den Tod näher kommen.
Hatte keine Angst mehr vor ihm.
Der Tod war so normal wie das Leben.
Sie machte sich nur Sorgen, dass ihre Leiche wahrscheinlich begraben und nicht nach der Tradition, mit der sie aufgewachsen war, verbrannt würde.
Dennoch versuchte sie, alle negativen Gedanken zu verdrängen.
Und nicht an den quälenden Durst zu denken.
10 . Kapitel
Ísrún konnte überhaupt nicht mehr gut schlafen. Meistens hatte sie einen leichten Schlaf und wachte nachts mehrmals auf. Ab und zu fiel sie in Tiefschlaf und träumte, doch dann sorgten Albträume dafür, dass sie schlecht schlief.
Jetzt war sie aufgewacht, stand auf, taumelte, setzte sich aufs Bett und holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Sie schaute auf die Uhr auf ihrem Handy: Sie hatte eine gute Stunde geschlafen, das reichte.
Jemand hatte versucht sie anzurufen.
María, die Nachrichtenchefin.
Was zum Teufel wollte die von ihr?
Ísrún hatte keine Energie, jetzt mit ihr zu reden. Sie steckte das Handy in die Tasche und ging hinaus in den Sommertag. Sie wollte das Zimmer in Siglufjörður behalten, da sie bereits für eine Nacht bezahlt hatte.
María saß in ihrem Büro. Manchmal war es gut, die Tür hinter sich zumachen zu können, obwohl das Multi-Space-Office – ein Begriff, den Zeitungs- und Fernsehredakteure schon lange Zeit vor dem Wirtschaftsboom eingeführt hatten – die Lebensader der Redaktion war. Als die Banken und Finanzdienstleister später massenweise neue Mitarbeiter einstellten, wurde der Begriff »Multi-Space-Office« zu einer Zauberformel, die enge Teamarbeit, günstigere Mietkosten und höheren Profit ermöglichen sollte. María hatte zweimal Jobangebote aus dem Finanzsektor bekommen, der Medienbranche jedoch nicht den Rücken zukehren können. Das Gehalt war zwar verlockend, aber die Leidenschaft für den Journalismus saß tief. Sie konnte sich einfach nicht von dieser Welt trennen, in der sie ihre gesamte berufliche Laufbahn zugebracht hatte.
Der Job als Nachrichtenchefin hatte Vor- und Nachteile. Sie konnte sich auf wichtige Themen konzentrieren und die Ausrichtung der Redaktion bestimmen, aber der Job war auch mit endlosen Meetings verbunden. Bewerbungsgespräche, Finanzen und Geschäftliches. Das Schlimmste war jedoch, Mitarbeiter entlassen zu müssen, was sie möglichst vermied.
Doch Ívar hatte nicht ganz unrecht. Ísrún war zweifellos talentiert, schien aber den Biss zu verlieren. Sie konnte kreativ und tough sein, manchmal vielleicht zu tough, ließ aber in ihrer Leistung nach. Sie fehlte oft, nutzte alle Krankentage aus, wie Ívar gesagt hatte, und wirkte bei der Arbeit oft ausgelaugt. María hatte sie vor ungefähr einem halben Jahr in ihr Büro gerufen, gefragt, ob alles in Ordnung sei, und sie wohlwollend darauf hingewiesen, dass sie ungewöhnlich oft krank sei. »Ja, ich war diesen Winter ständig erkältet«, hatte Ísrún nervös geantwortet, so dass María sofort gewusst hatte, dass sie log.
Nach diesem Gespräch hatte sich jedoch nichts geändert. Und Ívar traute ihr nicht, aber María vermutete, dass das von Anfang an so gewesen war. Manche Leute waren eben einfach nicht auf einer Wellenlänge. In diesem Fall zog Ísrún den Kürzeren. Ívar war ein wertvoller Mitarbeiter mit viel Erfahrung, von der Konkurrenz abgeworben, und sie durfte ihn nicht verlieren.
Die Entscheidung war zwar nicht leicht, aber auf gewisse Weise schon seit längerem absehbar gewesen.
Und wenn María eine Entscheidung getroffen hatte, besonders, wenn es eine schwierige Entscheidung war, wollte sie sie schnell umsetzen und ließ sich nur selten umstimmen.
11 . Kapitel
Die Frau, die in der Türöffnung stand, war schwanger und in Ísrúns Alter. Sie hatte auf den ersten Blick etwas Seltsames an sich, das Ísrún nicht richtig einordnen konnte. Erschöpfung? Ein wenig vielleicht. Kummer? Ja … eindeutig. Eine Art Schwangerschaftsdepression?
»Guten Tag«, sagte Ísrún und war sich noch nicht sicher, wie sie vorgehen sollte.
»Tag«, sagte die Frau kurz angebunden, schien jedoch um ein Mindestmaß an Höflichkeit bemüht zu sein.
Das Einzige, was Ísrún
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