Todesnacht: Thriller (German Edition)
stand hinter ihnen, die Hände auf die Schultern seiner beiden großen Töchter gelegt.
» Haben die Mädchen manchmal auf dem Boot gearbeitet? «
» Gelegentlich, als ich noch aktiv war. Aber nicht beim Muschelfang. In der Regel hab ich sie nur in den Sommerferien zum Hummerfang mit rausgenommen. «
» Konnten sie mit dem Boot umgehen? «
» Ziemlich gut, ja. Ich hab’s ihnen beigebracht. Terri war nie groß interessiert, und Tabitha ist immer noch ein bisschen zu jung. Aber Tiff kennt sich aus mit dem Boot, fast so gut wie ich. Und mit Motoren auch. «
Auf einem anderen Foto war ein sehr viel jüngerer Pike Stoddard auf einer schwarz glänzenden Harley zu sehen. Auf dem Sozius saß eine hübsche junge Frau mit langen, dunklen Haaren. Sie hatte die Arme um Pikes Taille geschlungen. Pike sah glücklicher aus als jetzt, längst nicht so verbittert.
» Wer sind Sie, und was wollen Sie? « Eine Frauenstimme in ihrem Rücken. Maggie drehte sich um. Auf der untersten Treppenstufe stand eine ältere, fast schmerzhaft abgemagerte Version von Tiffany Stoddard und blickte sie durchdringend an. Die weitgehend grauen Haare hingen ihr – immer noch nass von der Dusche – bis über die Hüfte. Sie trug eine locker sitzende Jeans und ein zu großes Männerhemd voller Farbkleckse.
» Können wir uns setzen? « , sagte Maggie.
» Sie sind von der Polizei? «
» Richtig. Detective Margaret Savage. Ich komme im Auftrag der State Police. «
Das Misstrauen in Doneldas Blick verwandelte sich in Angst. Seltsam, dachte Maggie. Die Leute wussten es eigentlich immer. Nicht in allen Einzelheiten. Aber sie wussten immer, dass man gekommen war, um ihnen eine schreckliche Nachricht zu überbringen.
» Ich fürchte, ich muss Ihnen eine traurige Mitteilung machen. «
Donelda hielt sich mit einer Hand am Geländer fest. » Ist sie tot? Wollen Sie mir das sagen? Dass noch eine meiner Töchter tot ist? «
Maggie holte tief Luft. Nickte. » Ja. Es tut mir sehr leid. «
Tiffany Stoddards Mutter schloss die Augen, atmete ein paarmal langsam ein und aus und schlug die Augen wieder auf. Sie nickte kaum wahrnehmbar. » Was ist passiert? « , sagte sie dann mit leiser Stimme. » Sagen Sie mir, was passiert ist. «
» Bitte, setzen Sie sich. Mrs. Stoddard? «
» Ich will mich nicht hinsetzen, verdammt noch mal « , erwiderte sie, und ihre Stimme klang plötzlich hart und wütend. » Sagen Sie mir einfach, was mit meiner Tochter passiert ist! «
Maggie brauchte ein paar Sekunden Anlauf, bis sie die Worte über die Lippen brachte. » Sie wurde ermordet. «
Die Fassung, die Donelda Stoddard unter Aufbietung all ihrer Kraft gerade noch aufrechterhalten hatte, fiel von ihr ab, sie sackte auf der untersten Treppenstufe in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht.
» Man hat ihre Leiche heute Morgen neben ihrem Auto im Machias State Park gefunden « , sagte Maggie. » Sie ist erstochen worden, vermutlich irgendwann im Lauf der Nacht. «
In ihrem Rücken hörte sie jetzt Pikes Stimme. Leise. Er versuchte, jede Emotion zu unterdrücken. » Sind Sie sich sicher, dass es Tiff ist? «
» Ja, wir sind uns sicher. Wir haben ihren Rucksack und eine Geldbörse mit ihrem Ausweis bei ihr gefunden. Und ihr Wagen stand nur wenige Meter entfernt … «
Ein Geräusch zwischen Schluchzen und kehligem Heulen drang aus Doneldas Innerstem nach außen. Sie schlang die Arme um sich und fing an, vor und zurück zu schaukeln.
Maggie machte ein paar Schritte auf sie zu, hatte das aufrichtige Bedürfnis, sie zu trösten. Donelda spürte es, ohne den Blick zu heben, hob jedoch abwehrend eine zitternde Hand – ein Signal an die Fremde, an die Todesbotin, auf keinen Fall näher zu kommen. » Bleiben Sie mir bloß vom Hals. «
Pike saß vollkommen reglos da. Er schien nicht einmal ansatzweise in der Lage zu sein, Gefühle zu äußern, weder durch Worte noch durch eine körperliche Reaktion. Saß einfach nur in seinem Rollstuhl und starrte abwechselnd Maggie und dann Donelda an. Trauer? Wut? Angst? Maggie wusste nicht genau, wie sie den Ausdruck in seinen Augen deuten sollte. Die beiden sahen einander nicht an. Versuchten nicht, einander zu trösten. Hier war keinerlei Zuneigung mehr zu spüren. Keine Beziehung. Auf Maggie wirkten Pike und Donelda wie zwei Fremde, die zufällig im selben Haus wohnten. Zwei Passagiere im Zug des Lebens, die ihre erbärmliche Reise jeder für sich allein zu Ende brachten.
» Wo ist sie jetzt? « , wollte Donelda wissen. » Wo
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