Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
schon seit ewigen Zeiten fasziniert.«
»Nehberg
ist nicht verrückt«, stellte Kollmenter in scharfem Ton klar.
Tannenberg
fächerte seine Arme zu einer entschuldigenden Geste auf. »Ich meine das ja auch
nur im positiven Sinne. Er ist ein besessener Abenteurer, der …«
»… unheimlich
sozial engagiert ist«, fiel ihm Kollmenter ins Wort.
Der Postbote
war mit einem Mal wie ausgewechselt. Sein zuvor verkniffenes, mürrisches Gesicht
leuchtete förmlich auf. »Dann komm halt rein. Aber viel Zeit hab ich wirklich nicht«,
gab sich Kollmenter nun endlich geschlagen. »Was willst du denn über Rüdiger Nehberg
wissen?«, fragte er neugierig und bat Tannenberg in sein Haus.
Werner Kollmenter
hatte wirklich nicht übertrieben. Im Flur, in dem es ziemlich muffig roch, lagerten
Mülltüten, Schuhe, Jacken sowie leere Flaschen wild durcheinander. Vor den Wänden
stapelten sich Zeitungen, Werbebroschüren und Bücher.
»Hast du
diese tollen Bilder gemalt?«, stieß Tannenberg erstaunt aus, als er auf die Aquarelle
aufmerksam wurde, die in diesem verwahrlosten Korridor die Wände schmückten.
»Ja, die
sind von mir.«
»Als Motive
hast du ja alle möglichen Reptilienarten gewählt: Schlangen, Spinnen, Echsen. Aber
in ganz anderen Farben, als sie in der Natur vorkommen. Das erinnert mich spontan
an Andy Warhol.«
»Stimmt«,
bestätigte Kollmenter mit stolzgeschwellter Brust. »Seine Werke haben mich inspiriert,
diese wunderbaren Tiere einmal in etwas ungewöhnlicheren Farbvariationen auf die
Leinwand zu bannen.«
Wolfram
Tannenberg war sichtlich beeindruckt. »Dieser Bilder sehen spitze aus«, lobte er.
»Du bist ja ein richtiger Künstler.«
»Na ja,
ich betrachte mich eher als Handwerker«, bemerkte Kollmenter bescheiden. »Mit diesem
Künstlergedöns habe ich rein gar nichts am Hut. Das finde ich total affig.«
»Das geht
mir ähnlich«, pflichtete ihm der Leiter des K 1 bei. »Hast du deine Aquarelle schon
einmal irgendwo ausgestellt? Könnte ich dir eins abkaufen?«
Der Briefträger
winkte ab. »Nein, nein, das möchte ich nicht. Meine Bilder sind unverkäuflich. Diese
Aquarellmalerei ist reine Privatsache, und sie soll es auch bleiben. Bist du so
gut und behältst die Sache für dich?«
»Klar, mach
ich das, Werner.«
»Gut, danke.
Komm, wir setzen uns in die Küche«, schlug der Briefträger vor und wies seinem Gast
den Weg.
Tannenberg
zögerte, denn soeben hatte er einen Blick durch zwei geöffnete Zimmertüren geworfen.
»Hier sieht es ja aus wie in einer Zoohandlung. Alles voller Terrarien. Du malst
also nicht nur diese Tiere, sondern du besitzt sie auch.«
»Klar, sie
sind meine Studien- und Malobjekte.«
»Züchtest
du auch?«
»Ja, sicher.
Auf immer mehr Menschen üben Reptilien eine starke Faszination aus.«
»Das ist
zurzeit ein richtiger Trend.«
»Ja, das
kann man wohl sagen«, bestätigte Kollmenter. »Dadurch ist der Bedarf an diesen Tieren
in den letzten Jahren enorm gestiegen.« Er hob den Zeigefinger. »Und zwar der Bedarf
an legal zu erwerbenden Reptilien, muss betont werden. Die Tiere müssen hier bei
uns gezüchtet worden sein.« Die beiden schlenderten weiter durch den Flur.
»Stichwort:
Artenschutz«, bemerkte Tannenberg.
Der Postbote
zog die Unterlippe ein und nickte. »Durch strenge Vorschriften will man verhindern,
dass Reptilien in fernen Ländern von skrupellosen Geschäftemachern gestohlen und
illegal importiert werden. Also leisten meine Züchterkollegen und ich auch einen
wertvollen Beitrag zum Naturschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt.«
»Verstehe.
Ist diese Züchterei eigentlich ein lukratives Geschäft?«
Werner Kollmenter
machte eine wage Handbewegung. »Geht so. Man investiert natürlich auch einiges,
vor allem viel, viel Zeit.«
»Züchtest
du auch Spinnen?«
»Aber klar
doch, Wolf.«
Während
der Briefträger zwei Gläser ausspülte und abtrocknete, entkorkte Tannenberg die
Weinflasche. »Wie man sieht, liest du auch die entsprechenden Fachzeitschriften«,
sagte er und las die Titel vor: ›Der Terrarienfreund‹, ›Die Reptilienzucht‹.«
»Diese Zeitschriften
sind sehr interessant. Und außerdem sind sie sehr wichtig, um einen hohen Zuchtstandard
zu gewährleisten. Da stehen viele wertvolle Tipps drin, vor allem für Anfänger.«
Kollmenter
schenkte die Gläser voll. »Wobei das Internet immer wichtiger wird«, fuhr er fort.
»In den Expertenforen tauschen wir unsere Erfahrungen aus und über die Reptilienbörsen
kaufen oder verkaufen wir unsere
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