Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
festnehmen und mal anständig ins Kreuzverhör
nehmen.« Schauß grinste breit. »Ich hab ja eh nichts anderes vor heute Nacht.«
Tannenberg
beulte mit der Zungenspitze seine Wange aus und schüttelte den Kopf. »Nein, Mischa,
das ist keine gute Idee.«
Sein junger
Mitarbeiter schob die Augenbrauen so dicht zusammen, dass sich auf der Stirn eine
tiefe, senkrechte Falte bildete. »Und wieso?«, fragte er verdutzt.
»Wenn unsere
Arbeitshypothese stimmt und Kollmenter tatsächlich unser Täter ist, dann können
wir meines Erachtens mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er seine
Festnahme und das Verhör in seinen Plan einkalkuliert hat.«
»Du glaubst,
das wäre Teil seines makaberen Spielchens mit uns?«
»Also, eins
ist jedenfalls ziemlich sicher, Mischa: Egal, ob Kollmenter nun der gesuchte Psychopath
ist oder nicht, unser Täter ist ein eiskalter Stratege, der alle seine Schritte
geplant hat und einen nach dem anderen abarbeitet. Deshalb würden wir mit seiner
Verhaftung ein unkalkulierbares Risiko eingehen.«
»Inwiefern?«
»Erinnere
dich bitte mal an die Entführung dieses Bankierssohnes in Frankfurt vor einigen
Jahren, wo der Täter gefasst wurde, er aber …«
»… den Ort,
an dem er den kleinen Kerl versteckt hielt, nicht preisgab, auch nicht unter Androhung
körperlicher Gewalt«, fiel ihm Schauß ins Wort. »Und als man dieses Erdloch dann
endlich entdeckte, war der Junge bereits tot.«
Tannenberg
nickte betroffen. Mit den gespreizten Fingern durchfurchte er seine Haare und kratzte
sich am Hinterkopf. »Ich befürchte, dass es unserem Täter große Freude bereiten
würde, uns den Aufenthaltsort seiner Opfer nicht preiszugeben.«
Michael
Schauß setzte sich auf die Schreibtischkante und nagte an einem Daumen herum. »Du
meinst, es geht ihm vor allem darum, uns seine Überlegenheit zu demonstrieren?«
»Ich weiß
es nicht, Mischa. Jedenfalls sind diese Entführungen äußerst merkwürdig. Wieso sind
zum Beispiel noch immer keine Lösegeldforderungen bei den Angehörigen eingegangen?«
»Die würden
bei einer Studentin und einer Arzthelferin wenig Sinn machen, zumal auch deren Eltern
nicht gerade reich sind«, bemerkte Schauß.
»Genau:
Warum entführt er nicht solche Leute, bei denen richtig etwas zu holen ist?«
»Aber wenn
es ihm nicht um Geld geht, um was geht es ihm denn dann?«
»Tja, wenn
wir das wüssten, wären wir schon einen großen Schritt weiter«, sagte der Leiter
des K 1.
»Vielleicht
hat Kollmenter die Frauen in seinem eigenen Haus versteckt, zum Beispiel im Keller.
Wenn er sie geknebelt und den Raum schalldicht isoliert hat, wäre das eine Möglichkeit.«
»Sicher,
zumindest eine theoretische, die wir trotzdem sehr wohl überprüfen müssen«, sagte
Tannenberg. »Ich hab da schon eine Idee.«
»Und welche?«
»Die ist
noch nicht spruchreif.«
»Vielleicht
auch nicht so ganz legal, wie ich vermute.«
Er gab ein
schelmisches Grinsen zur Antwort. »Jedenfalls dürfen wir im Falle Kollmenter nicht
das geringste Risiko eingehen«, betonte der Kommissariatsleiter. »Deshalb werden
wir ihn von nun an rund um die Uhr beschatten. Und zwar sehr, sehr diskret. Falls
er wirklich der Täter sein sollte, wird er uns irgendwann zum Versteck der Frauen
führen. Wenn wir ihn allerdings zu früh festnehmen und er dichtmacht, blüht den
Entführungsopfern möglicherweise das gleiche grausame Schicksal wie damals dem Bankierssohn.«
»Okay, Wolf,
das leuchtet mir ein.«
»Es gibt
da allerdings ein kleines Problem. Um die Pferde nicht scheu zu machen, dürfen wir
diese Observation nicht an die große Glocke hängen, sprich die SOKO und Hollerbach
informieren. Wenn die Presse davon Wind bekäme …« Den Rest ließ Tannenberg unausgesprochen.
»Gut, ich
stehe selbstverständlich ab morgen früh für solch eine Observation zur Verfügung«,
verkündete Schauß. »Sabrina sicherlich auch.«
»Super,
dann wären wir schon mal zu dritt. Ich frage Karl und Rainer noch.«
»Und deinen
Vater? Der wohnt doch in unmittelbarer Nähe und ist ein leidenschaftlicher Hobby-Kriminalist.«
»Sehr gute
Idee. Der kann sich einfach in Heiners Wohnzimmer hinter die Gardinen stellen und
den Eingang von Kollmenters Haus beobachten. Den werde ich allerdings unter Strafandrohung
dienstverpflichten müssen und ihm eindringlich klarmachen, dass er von seiner Hilfssherifftätigkeit
nichts im Tchibo ausplaudern darf.«
»Na, dann
kann ja nichts mehr schiefgehen«, meinte Schauß, während ein
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