Todespakt
Gesicht.
»Sie haben sich Zeit gelassen«, meinte Bernardi ruhig. »Ich dachte schon, Sie hätten meine Botschaft nicht verstanden.«
»Sie war ziemlich eindeutig«, erwiderte Chris. »Aber wozu das Versteckspiel? Warum haben Sie sich nicht gleich gestellt?«
»Ich hatte noch ein paar Angelegenheiten zu regeln, bevor ich Ihnen gegenübertrete.« Ein angedeutetes Lächeln umspielte Bernardis Lippen. »Und ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie ohne Aufsehen gekommen sind«, meinte er. »Ich nehme an, Ihre Kollegen warten draußen?«
Chris nickte.
»Dann gehe ich davon aus, dass sie unsere Unterredung mithören können.«
Chris zog sein Handy aus der Brusttasche und legte es auf den Tisch. Es zeigte eine bestehende Verbindung an. »Nur zur Absicherung.«
Bernardis Lächeln wurde etwas breiter. »Sicher«, meinte er. »Es stört mich auch nicht weiter, denn ich habe nicht vor, mich meiner Verantwortung zu entziehen.« Er verteilte die beiden Porzellantassen, die auf einem Tablett standen, und griff nach der Thermoskanne aus Edelstahl. »Daraus habe ich Ihnen bereits damals Kaffee ausgeschenkt, als Sie uns das erste Mal aufsuchten. Es ist schon seltsam, nicht wahr? Irgendwie wiederholt sich alles.«
»Mit dem Unterschied, dass Sie diesmal der Schurke sind.«
Bernardi hielt kurz in der Bewegung inne. Dann schenkte er weiter Kaffee in die beiden Tassen aus.
»Sie scheinen damit gerechnet zu haben, dass ich alleine komme.«
»Ich habe es gehofft«, sagte Bernardi. »Auf diese Weise bietet sich mir die Möglichkeit, Ihnen zu erklären, wie es zu alldem kommen konnte.«
»Ich habe da schon die eine oder andere Theorie.«
»Sie sollten mich nicht verurteilen, bevor Sie nicht alle Fakten kennen.« Er stellte die Kanne zurück auf den Tisch.
Chris beugte sich zu ihm nach vorn. »Würden wir dieses Gespräch hier auch führen, wenn wir die Entführer damals gefunden hätten?«
»Ich nehme an, Sie wollen mit dieser Frage Ihr Gewissen beschwichtigen. Aber ich kann Sie beruhigen, Herr Kommissar. Die meisten Morde hätten auch ohne mein Zutun stattgefunden, vermutlich nur auf eine weniger organisierte Art und Weise.« Er hob fragend die Augenbrauen. »Milch?«
»Nein, danke.«
»Möchten Sie vielleicht Wasser?« Er deutete auf das volle Glas auf dem Tablett. »Ich müsste Ihnen nur ein frisches holen, dieses hier ist das meiner Tochter.«
»Keine Umstände bitte. Kommen wir zur Sache.«
»Wie Sie meinen.« Bernardi goss sich etwas Milch ein, lehnte sich anschließend zurück und rührte in seiner Tasse. »Sie fragen sich vermutlich, wie ausgerechnet ich, dem selbst solch schreckliche Dinge widerfahren sind, mich auf diese Geschichte einlassen konnte. Aber genau diese Ereignisse sind der ausschlaggebende Grund dafür.« Er trank einen Schluck Kaffee, bevor er weitererzählte. »Ich bin Herrmann vor etwa zwölf Monaten zum ersten Mal begegnet.« Sein Blick senkte sich kurz, bevor er weitersprach. »Nicht nur, dass ich mit dem Zustand meiner Tochter klarkommen musste, nun hatte ich mir auch noch den Freitod meiner Frau vorzuwerfen. Ich hätte wissen müssen, dass es dazu kommt, doch ich war viel zu sehr mit meinem Hass auf die Leute beschäftigt, die meiner Tochter das angetan hatten. Nach Simones Entführung hat sich meine Frau immer mehr in sich zurückgezogen, ging kaum noch unter Leute. Sie wurde zunehmend apathisch, und zum Schluss war sie fast ebenso wenig ansprechbar wie unsere Tochter.« Er warf einen schuldvollen Blick über seine Schulter. »Wie auch immer«, meinte er niedergeschlagen und wandte sich wieder Chris zu. »Nach ihrem Tod hatte ich niemanden mehr. Ich war allein mit meinen Schuldgefühlen und mit einem Grab, das ich mit Blumen bestückte. Und mit all dem Hass, der sich in mir angesammelt hatte. Hass auf die Kerle, denen ich das alles zu verdanken hatte. Hass auf die vielen anderen, die von ihrer Sorte existieren. Skrupellose Verbrecher, die das Leben rechtschaffener Menschen zerstören. Dieser Hass nahm immer mehr Besitz von mir. Und ich war damals bereits kurz davor, die Kontrolle darüber zu verlieren.« Er stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. »Nach dem Tod meiner Frau habe ich die Firma verkauft, um mich ganz um Simone kümmern zu können. Ich sah nicht länger einen Sinn darin, meine Zeit mit Profitmachen zu vergeuden. Ich verfügte bereits über mehr Mittel, als ich benötigte. Also beschloss ich, diese Mittel zum ersten Mal sinnvoll einzusetzen. Ich ließ eine Internetseite erstellen,
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