Todesreigen
Männer in einen Nahkampf verwickelt waren. Wie kann es unter diesen Umständen beim Opfer zu dieser Schussverletzung gekommen sein?«
»Ganz einfach. Ein Schuss in die Seite des Kopfes würde dazu passen, dass Mr. Valdez den Kopf von der Waffe weggedreht hatte, während er in der Hoffnung, Mr. Hartman zu treffen, Druck auf den Abzug ausübte.«
»Vom Ergebnis her sagen Sie also, dass Mr. Valdez sich selbst erschossen hat.«
»Einspruch!«
»Stattgegeben.«
Der Anwalt fuhr fort: »Sie sagen, es ist
möglich
, dass Mr. Valdez sich abgewandt hatte, während er selbst den Abzug der Waffe betätigte, und damit seinen eigenen Tod herbeiführte?«
»Das ist korrekt.«
»Keine weiteren Fragen.«
Tribow fragte den Arzt, warum der Coroner keine Schmauchspuren an Valdez’ Händen gefunden hatte, die er eigentlich hätte finden müssen, wenn Valdez die Waffe abgefeuert hatte – und warum sich diese Rückstände an Mr. Hartmans Händen befunden hatten. Der Doktor antwortete: »Mr. Hartmans Hände umfassten die von Mr. Valdez, also befanden sich auf ihnen auch sämtliche Rückstände.«
Der Richter entließ den Zeugen, und Tribow kehrte an seinen Tisch zurück, wobei er einen Blick auf das versteinerte Gesicht des Angeklagten werfen konnte, der ihn ebenfalls anstarrte.
Schließlich rief der Verteidiger seinen letzten Zeugen auf: Raymond Hartman selbst.
Seine Aussage deckte sich genau mit dem, was die Zeugen zuvor zu Protokoll gegeben hatten: Dass er seine Pistole immer bei sich trug, dass Valdez sich diese verrückte Geschichte über Hartman und Valdez’ Frau in den Kopf gesetzt hatte, dass er nie im Leben jemanden erpresst hatte, dass er ein Geschenk für Valdez’ Sohn gekauft hatte, dass er Valdez’ Hilfe dafür gewinnen wollte, Geld in die Latino-Gemeinde zu stecken, dass der Kampf sich genau so abgespielt hatte, wie ihn der Zeuge geschildert hatte. Allerdings versah er die Geschichte noch mit einer Koda: mit der Mund-zu-Mund-Beatmung, durch die er Valdez’ Leben hatte retten wollen.
Mit einem Blick auf die vier Latinos und die drei Schwarzen unter den Geschworenen fügte er hinzu: »Ich bekomme ständig Ärger, weil ich mich für die Minderheiten stark mache. Aus irgendeinem Grund scheinen die Polizei und die Stadt und der Staat… etwas dagegen zu haben. Und jetzt sitze ich hier, weil ich unglücklicherweise ausgerechnet einen der Menschen verletzt habe, denen ich zu helfen versuche.« Bekümmert blickte er zu Boden.
Adele Viamontes Seufzer war in jedem Winkel des Gerichtssaals zu hören. Er trug ihr einen strengen Blick des Richters ein.
Der Anwalt dankte Hartman und sagte zu Tribow: »Ihr Zeuge.«
»Was sollen wir tun, Boss?«, flüsterte Wu.
Tribow betrachtete die beiden Mitarbeiter seines Teams, die so unermüdlich Stunde um Stunde in diesen Fall investiert hatten. Dann wandte er sich um und schaute in die Augen von Carmen Valdez, deren Leben eine so schreckliche Wendung genommen hatte wegen der Tat des Mannes, der hier im Zeugenstand saß und gelassen seine Ankläger und die Menschen im Zuschauerraum musterte.
Auf seine typische höfliche Art fragte Tribow: »Mr. Hartman, eine Sache macht mich neugierig.«
»Ja, Sir?«, fragte der Mörder genauso höflich. Seine Anwälte hatten ihn offensichtlich gut vorbereitet und ihm eingeschärft, im Zeugenstand niemals nervös oder verärgert zu reagieren.
»Das Spiel, das Sie für Mr. Valdez’ Sohn gekauft haben.«
Hartmans Augen zuckten. »Ja? Was ist damit?«
»Um welches Spiel handelte es sich denn?«
»Eines von diesen kleinen Videospielen. Ein GameBoy.«
»War es teuer?«
Ein neugieriges Lächeln. »Ja, ziemlich teuer. Aber ich wollte etwas Nettes für José und seinen Jungen haben. Er tat mir Leid, weil sein Vater ziemlich verrückt…«
»Beantworten Sie einfach die Frage«, unterbrach in Tribow.
»Es hat fünfzig oder sechzig Dollar gekostet.«
»Wo haben Sie es gekauft?«
»In einem Spielwarengeschäft im Einkaufszentrum. Ich erinnere mich nicht an den Namen.«
Tribow hielt sich selbst für einen ziemlich verlässlichen Lügendetektor und war sicher, dass Hartman das alles erfand. Wahrscheinlich hatte er heute Morgen irgendwo eine GameBoy-Reklame gesehen. Allerdings bezweifelte Tribow, dass die Geschworenen es ebenfalls bemerken würden. Ihnen musste es so vorkommen, als beantworte Hartman einfach bereitwillig und höflich die etwas merkwürdigen Fragen des Staatsanwalts.
»Wie funktioniert denn dieses Videospiel?«
»Einspruch«,
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