Todesreigen
Frau in den Kopf gesetzt hatte; außerdem machte er sich Sorgen, dass der Junge davon hören und es womöglich glauben würde. Also dachte er, ein Geschenk für den Jungen könnte das Eis brechen. Und dann wollte er mit Valdez reden und ihm klar machen, dass er sich irrte.«
»Reden Sie weiter, Sir. Was ist dann passiert?«
»Dann entdeckt Mr. Hartman Valdez vor seinem Laden. Er steht vom Tisch auf und geht zu Valdez hinüber.«
»Und dann?«
»Ray winkt Valdez zu und sagt ›Hi‹ oder etwas in der Art. ›Wie geht’s?‹ Ich weiß es nicht mehr genau. Etwas Freundliches. Und er will Valdez die Tüte reichen, aber Valdez schiebt sie einfach zur Seite und fängt an, ihn anzuschreien.«
»Wissen Sie, worum es dabei ging?«
»Valdez sagte alles mögliche komische Zeug. Zum Beispiel: ›Ich weiß, dass du dich seit fünf Jahren mit meiner Frau triffst.‹ Was ziemlich verrückt war, weil Valdez erst letztes Jahr hergezogen ist.«
»Nein!«, rief die Witwe. »Das ist alles gelogen!«
Der Richter schlug mit dem Hammer auf sein Pult, allerdings mit einer Lethargie, die seine Sympathie für die Frau durchblicken ließ.
Tribow seufzte angewidert. Die Verteidigung hatte hier ein Motiv ins Spiel gebracht, das andeutete, dass nicht Hartman, sondern Valdez bei der Auseinandersetzung an jenem Tag der Aggressor gewesen sein könnte.
»Ich
weiß
, dass es nicht stimmte«, sagte der Zeuge zum Verteidiger. »Mr. Hartman hätte so was niemals getan. Er war sehr religiös.«
Schon
zwei
Hinweise auf den Erzengel Raymond C. Hartman.
Der Anwalt fuhr fort: »Konnten Sie sehen, was als Nächstes passierte?«
»Irgendwie war alles etwas verschwommen, aber ich konnte sehen, dass Valdez nach etwas gegriffen hat – einem Metallrohr oder einem Stück Holz – und damit auf Mr. Hartman losgegangen ist. Er versuchte auszuweichen, konnte aber nirgendwohin, weil sie in dieser engen Gasse waren. Schließlich sah es so aus, als würde ihm jeden Moment der Schädel eingeschlagen. Da hat Mr. Hartman seine Waffe gezogen. Er wollte Valdez damit in Schach halten…«
»Einspruch. Der Zeuge kann nicht wissen, was Mr. Hartmans Absichten waren.«
Der Anwalt fragte den Zeugen: »Was, Mr. Abrego, war Ihr
Eindruck
von Mr. Hartmans Absichten?«
»Es
sah so aus
, als wolle er Valdez nur in Schach halten. Valdez schlug noch ein paar Mal mit dem Rohr nach ihm, aber Mr. Hartman schoss immer noch nicht. Schließlich griff Valdez nach seinem Arm, und die beiden kämpften um die Waffe. Mr. Hartman rief den Leuten zu, sie sollten sich hinlegen. Dann schrie er Valdez an: ›Loslassen! Loslassen! Jemand kann sich verletzen!‹«
Was weit davon entfernt war, dass Hartman aus Leidenschaft gehandelt oder Valdez’ Tod billigend in Kauf genommen hatte – aber genau das musste Tribow beweisen, wenn er mit der Anklage auf Totschlag durchkommen wollte.
»Mr. Hartman war ziemlich mutig. Ich meine, er hätte loslaufen und sich in Sicherheit bringen können. Stattdessen hat er sich um die Passanten gesorgt. So war er immer. Andere Leute haben ihm immer am Herzen gelegen, vor allem Kinder.«
Tribow fragte sich, wer dieses Drehbuch geschrieben haben mochte. So mies, wie es klang, wahrscheinlich Hartman selbst.
»Dann hab ich mich geduckt, weil ich dachte, dass Valdez wie ein Irrer losballern würde, wenn er die Waffe zu fassen bekäme. Ich hab Angst gehabt. Dann hab ich den Schuss gehört, und als ich wieder aufstand, sah ich, dass Valdez tot war.«
»Was hat der Angeklagte getan?«
»Er kniete vor Valdez und versuchte, ihm zu helfen, die Blutung zu stoppen, so wie es aussah, und Hilfe zu holen. Er war fix und fertig.«
»Keine weiteren Fragen.«
Im Kreuzverhör versuchte Tribow, auch die Glaubwürdigkeit von Abregos Aussage zu erschüttern. Doch war sie ziemlich clever abgesichert (»Irgendwie war alles etwas verschwommen…«
»Ich bin nicht sicher…«
»Es gab diese Gerüchte…«), so dass er nichts Konkretes in der Hand hatte, um den Zeugen zu diskreditieren. Der Ankläger streute die Saat des Zweifels in die Köpfe der Geschworenen, indem er immer und immer wieder fragte, ob Hartman den Zeugen bezahlt oder ihn und seine Familie bedroht hatte. Aber natürlich stritt der Mann das ab.
Dann rief die Verteidigung einen Arzt in den Zeugenstand, der knapp und exakt aussagte.
»Doktor, aus dem Bericht des Coroners wird deutlich, dass das Opfer an einem seitlichen Schuss in den Kopf starb. Sie haben die Aussage des vorigen Zeugen gehört, dass die beiden
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