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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gelesen, dass für einzelne Penthousewohnungen, die sich über drei Etagen erstreckten, zwanzig Millionen Dollar gezahlt worden waren.
    »Doktor!«, rief Patsy, als sie Harry sah, und lief auf ihn zu. Harry war sehr vorsichtig, was körperlichen Kontakt mit Patientinnen betraf. Er kannte die Phänomene der Übertragung und Gegenübertragung – die ganz normale Anziehung zwischen Patientinnen und ihren Therapeuten. Was direkten Kontakt betraf, war Vorsicht angesagt. Harry legte die Hände auf Patsys Schultern, so dass sie ihn nicht umarmen konnte, und bugsierte sie zurück auf die Couch im Eingangsbereich.
    »Mr. Randolph?«, fragte Harry und wandte sich ihrem Mann zu.
    »Jawohl.«
    »Mein Name ist Harry Bernstein.«
    Sie schüttelten einander die Hände. Peter Randolph entsprach ziemlich genau dem Bild, das Harry sich von ihm gemacht hatte. Ein gepflegter, athletischer Mann von ungefähr vierzig Jahren. Gut aussehend. Aus seinen Augen sprachen Ärger, Verwirrung und das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Harry fühlte sich an einen Patienten erinnert, den er kürzlich behandelt hatte – einen Mann, dessen einziges Problem darin bestand, sein Leben mit einer Ehefrau und zwei Geliebten zu organisieren. Peter trug einen burgunderroten Morgenmantel und Pantoffeln aus weichem Leder.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich kurz allein mit Patsy spreche?«, fragte Harry.
    »Nein. Ich bin oben, falls Sie mich brauchen.« Diese Worte waren gleichermaßen an Harry und den Polizisten gerichtet.
    Harry warf dem Cop einen Blick zu, woraufhin dieser sich ein Stück entfernte, um den Arzt mit seiner Patientin sprechen zu lassen.
    »Was ist passiert?«
    »Der Vogel«, sagte sie und unterdrückte die Tränen.
    »Einer der Keramikvögel?«, fragte Harry.
    »Ja«, flüsterte sie. »Er hat ihn zerbrochen.«
    Harry musterte sie aufmerksam. Heute Abend war ihr Zustand nicht der beste: strähniges Haar, ein fleckiger Morgenrock und schmutzige Fingernägel. Wie in ihrer letzten Sitzung war einzig und allein ihr Make-up perfekt.
    »Sagen Sie mir, was genau passiert ist.«
    »Ich schlief und hörte plötzlich diese Stimme, die sagte: ›Lauf! Du musst raus hier! Sie wollen dir wehtun!‹ Also sprang ich aus dem Bett und rannte ins Wohnzimmer und da… Da lag der Boehm-Vogel. Das Rotkehlchen. Es war in tausend Teile zersplittert, die überall auf dem Fußboden lagen. Ich habe geschrien – weil ich wusste, dass sie hinter mir her waren.« Ihr Stimme wurde lauter. »Die Geister… sie… ich meine,
Peter
war hinter mir her. Ich habe schnell meinen Morgenmantel übergezogen und bin geflüchtet.«
    »Und was hat Peter getan?«
    »Er ist mir nachgelaufen.«
    »Aber er hat Ihnen nichts getan?«
    Sie zögerte. »Nein.« Mit paranoidem Blick schaute sie sich in der kalten marmornen Halle um. »Na ja, er hat die Polizei gerufen… Aber verstehen Sie nicht? Peter hatte keine Wahl. Er
musste
die Polizei anrufen. Das würde doch jeder tun, wenn seine Frau schreiend aus dem Apartment flüchtet.
Nicht
anzurufen wäre doch verdächtig gewesen…« Ihre Stimme verebbte.
    Harry suchte nach Anzeichen für Alkohol oder die Einnahme zu vieler Medikamente. Doch er fand keine. Sie schaute sich wieder in der Halle um.
    »Geht es Ihnen jetzt besser?«
    Sie nickte und sagte: »Es tut mir Leid… dass ich Sie mitten in der Nacht aus dem Bett jage.«
    »Dafür bin ich doch da… Sagen Sie: Hören Sie im Augenblick irgendwelche Stimmen?«
    »Nein.«
    »Und der Vogel? Könnte es ein Missgeschick gewesen sein?«
    Sie dachte eine Weile über die Frage nach. »Na ja, Peter hat wirklich geschlafen… Vielleicht hatte ich mir den Vogel vorher angesehen und ihn zu nah an der Tischkante stehen lassen.« Sie klang jetzt völlig vernünftig. »Vielleicht war es auch die Haushälterin. Theoretisch
könnte
sogar ich selbst gegen den Tisch gestoßen sein.«
    Der Polizist schaute zur Uhr und kam dann langsam zu ihnen herüber. »Darf ich kurz mit Ihnen sprechen, Doktor?«
    Sie zogen sich in eine Ecke der Eingangshalle zurück.
    »Ich glaube, ich sollte sie mit in die Stadt nehmen«, sagte der Cop mit schleppendem Queens-Akzent. »Sie war ziemlich außer Kontrolle. Aber es liegt letztlich bei Ihnen. Halten Sie sie für verwirrt?«
    Verwirrte Person – die Standarddiagnose zur Rechtfertigung einer Zwangseinweisung. Wenn er jetzt ja sagte, würden sie Patsy mitnehmen und in eine Klinik bringen.
    Dies war der kritische Augenblick. Harry rang mit sich.
    Ich kann Ihnen

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