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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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verstecken können. Sie müssen sich ihnen stellen.«
    »Im Krankenhaus würde ich mich sicherer fühlen. Niemand würde versuchen, mich im Krankenhaus umzubringen.«
    »Niemand will Sie umbringen, Patsy. Sie müssen mir glauben.«
    »Nein! Peter…«
    »Aber Peter hat niemals versucht, Ihnen wehzutun, oder?«
    Nach einer Pause: »Nein.«
    »Gut, ich habe Folgendes vor. Hören Sie mir zu. Wollen Sie mir zuhören?«
    »Ja.«
    »Vergessen Sie eines nicht: Egal, ob Peter sich als Geist ausgegeben hat oder ob Sie sich diese Worte nur eingebildet haben, auf jeden Fall
waren diese Worte nicht echt
. Wiederholen Sie das!«
    »Ich…«
    »Wiederholen Sie das!«
    »Sie waren nicht echt.«
    »Und jetzt sagen Sie: ›Da war kein Geist. Mein Vater ist tot.‹«
    »Da war kein Geist. Mein Vater ist tot.«
    »Gut!«, sagte Harry lachend. »Noch einmal.«
    Sie wiederholte das Mantra mehrere Male, jedes Mal ein bisschen ruhiger. Schließlich zeigte sich die Andeutung eines Lächelns auf ihren Lippen. Dann aber zog sie die Stirn in Falten. »Aber der Vogel…« Wieder öffnete sie ihre Handtasche und nahm die Keramikscherben heraus. Sie hielt die Stücke fest in ihrer zitternden Hand.
    »Was auch immer mit dem Vogel passiert ist, es ist nicht wichtig. Es ist bloß ein Stück Porzellan.«
    »Aber…« Sie schaute hinab auf die zerbrochenen Scherben.
    Harry beugte sich vor. »Hören Sie, Patsy. Hören Sie mir gut zu.«
    Mit leidenschaftlicher Stimme erklärte der Arzt: »Ich möchte, dass Sie nach Hause gehen, den letzten Vogel nehmen und ihn in tausend Stücke schlagen.«
    »Sie wollen, dass ich…«
    »Nehmen Sie einen Hammer, und zertrümmern Sie ihn!«
    Zunächst wollte sie protestieren, doch stattdessen lächelte sie. »Kann ich das denn tun?«
    »Und wie Sie das können. Sie müssen sich nur selbst die Erlaubnis dazu geben. Gehen Sie nach Hause, trinken Sie ein gutes Glas Wein, und dann suchen Sie einen Hammer und hauen ihn in Stücke.« Er griff unter seinen Schreibtisch, zog den Papierkorb hervor und hielt ihn ihr entgegen. »Es sind nur Porzellanscherben, Patsy.«
    Nach kurzem Zögern warf sie die Scherben der Figur in den Eimer.
    »Gut, Patsy.« Dann – zum Teufel mit der Übertragung! – umarmte der Arzt seine Patientin.
    An diesem Abend kam Patsy Randolph nach Hause und traf Peter vor dem Fernseher an.
    »Du kommst spät«, sagte er. »Wo warst du?«
    »Einkaufen. Ich habe eine Flasche Wein besorgt.«
    »Wir sind heute Abend bei Jack und Louise eingeladen. Sag nicht, du hast es vergessen.«
    »Ich möchte nicht hin«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht wohl. Ich…«
    »Nein. Wir werden gehen. Du kannst dich nicht davor drücken.« Er redete in dem seltsamen, abrupten Tonfall, in dem er schon die ganze Woche sprach.
    »Na gut, kann ich mich wenigstens vorher um ein paar Dinge kümmern?«
    »Klar. Aber ich will nicht zu spät kommen.«
    Patsy ging in die Küche, öffnete den teuren Merlot und goss sich ein großes Glas ein. Genau wie Dr. Bernstein ihr geraten hatte. Sie nippte daran. Sie fühlte sich gut. Sehr gut. »Wo ist der Hammer?«, rief sie.
    »Der Hammer? Wofür brauchst du einen Hammer?«
    »Ich muss etwas in Ordnung bringen.«
    »Ich glaube, er liegt in der Schublade neben dem Kühlschrank.«
    Sie fand ihn. Nahm ihn mit ins Wohnzimmer. Betrachtete den letzten Boehm-Vogel, eine Eule.
    Peter warf einen Blick auf das Werkzeug und wandte sich dann wieder dem Fernseher zu. »Was willst du in Ordnung bringen?«
    »Dich«, antwortete sie und ließ das stumpfe Ende mit aller Kraft auf seinen Kopf herabsausen.
    Ein weiteres Dutzend Schläge war nötig, um ihn zu töten. Als sie fertig war, trat sie zurück und betrachtete die bemerkenswerten Muster, die das Blut auf dem Teppich und der Couch hinterlassen hatte. Dann ging sie ins Schlafzimmer und nahm ihr Tagebuch vom Nachttisch – das Tagebuch, dass Dr. Bernstein ihr zu führen empfohlen hatte. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer, setzte sich neben die Leiche ihres Mannes und schrieb eine umständliche Schilderung in das Büchlein, wie sie, endlich, die Geister zum Schweigen gebracht hatte. Endlich hatte sie ihren Frieden gefunden. Sie konnte nicht alles aufschreiben, was sie sich vorgenommen hatte; es war ziemlich zeitraubend, wenn man den Finger als Stift und Blut als Tinte benutzte.
    Als Patsy fertig war, nahm sie den Hammer und zertrümmerte den Boehm-Vogel in kleinste Teilchen. Dann schrie sie, so laut sie konnte: »Die Geister sind tot, die Geister sind tot, die

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