Todesreigen
Alle Versuche, ihre Spuren zu verwischen, waren umsonst gewesen.
Der kurze Moment des Friedens, den sie genossen hatte, war vorbei.
David Dale hatte sie gefunden.
Kari – geboren als Catherine Kelley Swanson – war eine vernünftige, freundliche Achtundzwanzigjährige, die im Mittleren Westen bei ihrer liebevollen Familie aufgewachsen war. Sie war eine mustergültige Studentin mit Cum-laude-Abschluss und Plänen für eine Promotion gewesen. Ihre Karriere bis zum Umzug hierher – sie arbeitete als Model für Modefotos – hatte ihr auf der einen Seite ein beachtliches Vermögen eingebracht und ihr auf der anderen Seite die Möglichkeit eröffnet, regelmäßig an so luxuriösen Schauplätzen wie Paris, Kapstadt, London, Rio, Bali oder den Bermudas zu arbeiten. Sie fuhr ein hübsches Auto, hatte sich stets bescheidene, aber gemütliche Häuser gekauft und versorgte ihre Eltern mit einer dicken jährlichen Rente.
Ein scheinbar beneidenswertes Leben… Und doch war Kari Swanson seit jeher durch einen sehr hinderlichen Umstand beeinträchtigt worden.
Sie war ausgesprochen schön.
Mit siebzehn Jahren hatte sie ihre volle Größe – einen Meter dreiundachtzig – erreicht, und ihr Gewicht hatte seitdem maximal um ein Pfund um ihre gegenwärtigen fünfundfünfzig Kilo geschwankt. Ihr Haar glänzte in einem natürlichen Gold (ja, ja, man konnte es in Zeitlupe durch viele Shampoospots fliegen sehen), und ihre Haut hatte einen makellosen, durchsichtig eierschalenfarbenen Teint, der den Maskenbildnern bei Fotosessions oftmals nichts zu tun ließ, außer den gerade angesagten Lippenstift und Lidschatten aufzutragen.
People, Details, W, Rolling Stone, Paris Match
, die
London Times
und
Entertainment Weekly
hatten Kari Swanson unisono als die »schönste Frau der Welt« (oder eine leicht abgewandelte Version dieses Titels) bezeichnet. Und buchstäblich
jede
Publikation in der industrialisierten Welt hatte zum einen oder anderen Zeitpunkt ein Foto von ihr gebracht, wobei viele dieser Fotos sich auf den Titelseiten der Magazine fanden.
Dass ihre faszinierende Schönheit auch zur Belastung werden konnte, war eine Lektion, die sie früh hatte lernen müssen. Die junge Kathy –»Kari«, das Supermodel, wurde sie erst im Alter von zwanzig – sehnte sich nach einer normalen Teenagerzeit, doch ihre äußere Erscheinung sabotierte diesen Wunsch immer wieder. In der High School fühlte sie sich zu den gelehrten und künstlerischen Kreisen hingezogen, wurde dort aber schlankweg abgelehnt, weil man davon ausging, dass sie entweder ein gedankenloses Dummchen sein musste oder versuchte, sich über die schlaksigen Schüler in diesen Zirkeln lustig zu machen.
Auf der anderen Seite wurde sie aufs Heftigste von der cliquenhaften Szene der Cheerleader und Sportler umworben, von denen sie nur wenige leiden konnte. Zu ihrer größten Verlegenheit wurde sie stets zur Königin der verschiedenen Schulfeste und -bälle gewählt, selbst wenn sie sich ausdrücklich weigerte, an diesen Wahlen teilzunehmen.
Noch unmöglicher war die Situation, wenn es um Verabredungen ging. Die meisten netten und interessanten Jungen versteinerten vor ihr wie die Kaninchen vor der Schlange und hatten nicht den Mut, sie überhaupt um eine Verabredung zu bitten, weil sie vermuteten, abgewiesen zu werden. Die Machos und Sexprotze dagegen verfolgten sie erbarmungslos – obwohl ihre Motivation natürlich einfach darin lag, mit dem schönsten Mädchen der Schule gesehen zu werden oder sie als Trophäe ins Bett zu schleppen (natürlich hatte keiner von ihnen Erfolg, doch wimmelte es von schmerzhaften Gerüchten; es schien, dass der verschmähte Junge desto ungenierter mit seiner Eroberung prahlte, je deutlicher die Zurückweisung ausgefallen war).
Ihre vier Jahre in Stanford waren praktisch eine Fortsetzung davon – die Arbeit als Model, der Unterricht, einsame Stunden, unterbrochen von seltenen Abenden und Wochenenden mit den wenigen Freunden, die sich nicht darum scherten, wie sie aussah (bezeichnenderweise war ihr erster Liebhaber – ein Mann, mit dem sie immer noch befreundet war – blind).
Nach dem Studienabschluss hatte sie gehofft, dass ihr Leben sich ändern und der Fluch ihrer Schönheit an Macht verlieren würde, sobald sie in Gesellschaft von Menschen wäre, die älter und damit beschäftigt waren, in der Welt voranzukommen. Eine trügerische Hoffnung… Die Männer blieben ihrer zweifelhaften Mission treu und verfolgten Kari, völlig gleichgültig
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