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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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von einer Art Krankheit erholte und Waffen so wenig anrühren durfte wie ein Anonymer Alkoholiker einen Drink. Vielleicht wurden Menschen ja abhängig von Waffen, so wie andere – ihr Ehemann zum Beispiel – von Glücksspielen, Frauen oder Kokain abhängig wurden.
    »Wie bitte?«
    »Ich bin vorbestraft.« Das sagte er in einem Ton, der weder Scham noch Stolz erkennen ließ, sondern darauf hindeutete, dass er diesen Umstand normalerweise früh im Gespräch erwähnte, um die Sache hinter sich zu bringen und zu sehen, wie sein Gegenüber reagierte. Als Carolyn gar nicht reagierte, fuhr er fort: »Wenn mich jemand mit einer Waffe antrifft… na ja, das gäbe Schwierigkeiten.«
    »Oh«, sagte sie, als wäre er ein Supermarktangestellter, der sie auf das abgelaufene Datum eines Gutscheins für Spaghettisoße hinwies. Seine Augen senkten sich noch einmal auf ihr beigefarbenes Kostüm. Nun ja, um es präziser zu sagen: auf den Teil ihres Körpers, den das Kostüm nicht bedeckte.
    Dann warf er einen Blick zum Tankstellengebäude hinüber, in dem der Verkäufer selbstvergessen seinem Fernsehprogramm folgte. »Wir sollten die Polizei rufen.
Er
wird das sicher nicht tun.«
    »Warten Sie«, wandte sie ein. »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Klar.«
    »Weswegen haben Sie gesessen?«
    Er zögerte. »Also«, begann er langsam. Doch dann musste er zu dem Schluss gekommen sein, dass Carolyn mit ihrem eleganten Kostüm, ihrem engen Rock, ihren schwarzen Spitzenstrümpfen von Victoria’s Secret, dass dieses wunderbare, wohlriechende Paket (Opium, 49 Dollar pro Unze) niemals ihm gehören würde und er daher auch nichts zu verlieren hätte. Er sagte: »Körperverletzung mit einer tödlichen Waffe. Fünf Anklagen. In jedem Fall schuldig. Ach ja, und Verschwörung zum Zweck der Körperverletzung. So, sollen wir jetzt die Polizei rufen?«
    »Nein«, antwortete sie und steckte den Revolver ins Handschuhfach ihres Autos. »Ich finde, wir sollten zusammen etwas trinken.«
    Mit dem Kopf deutete sie auf die Bar des Motels auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Sie erwachten drei Stunden später.
    Er sah aus wie ein Raucher, war aber keiner. Er sah aus wie ein Trinker und trank tatsächlich. Allerdings hatte er sich mit einem Bier begnügt, im Gegensatz zu ihren dreien aus dem Six-pack, den sie in einem Laden gleich neben dem Motel gekauft hatte. Vorher hatten sie jeweils einen Martini an der Bar getrunken.
    Sie starrte an die rissige Decke.
    »Musst du eigentlich irgendwohin?«, fragte sie.
    »Muss nicht jeder irgendwohin?«
    »Ich meine jetzt. Heute Abend.«
    »Nein, ich bin heute nur zufällig in der Gegend. Morgen fahre ich wieder nach Hause.«
    Sein Zuhause war, wie er ihr beim Martini erklärt hatte, Boston. Er übernachtete heute im Courtyard Inn in Klammath. Sein Name war Lawrence – ausdrücklich nicht Larry. Nach dem Gefängnis hatte er sich für den ehrlichen Weg entschieden und seine Arbeit als Geldeintreiber für ein paar Männer aufgegeben, die er vage als »örtliche Geschäftsleute« bezeichnete.
    »Ich hab die Kommission kassiert, so nennt man das«, erklärte er. »Die Zinsen auf Schulden bei Kredithaien. Die Kommission muss man zahlen.«
    »Wie Rocky.«
    »Ja, so ungefähr.«
    Als sie ihn nach seinem Nachnamen fragte, umwölkte sich sein Blick. Zwar antwortete er »Anderson«, doch hätte er genauso gut »Smith« sagen können.
    »Weder noch«, entgegnete er auf ihre Frage nach Frau und Kindern. Diesmal war sie geneigt, ihm zu glauben.
    Nur eines wusste sie von ihm mit Sicherheit: Dass er ein unglaublicher Liebhaber war.
    Sinnliche Straße, sinnliche Kurven…
    Fast zwei Stunden lang hatten sie sich geküsst, berührt, ertastet, aneinander gepresst. Er hatte nichts Verdrehtes oder Abartiges an sich. Er war einfach, nun, überwältigend. Anders konnte sie es nicht beschreiben. Seine starken Arme um ihre Hüften geschlossen, sein großer Körper über ihrem…
    Als sie jetzt zusammen in dem warmen, billigen Bett lagen, beobachtete sie, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Er trug eine hässliche Narbe, die auch durch das dunkle, lockige Haar deutlich zu erkennen war. Sie wollte ihn danach fragen, brachte es aber nicht über sich.
    »Lawrence?«
    Er betrachtete sie vorsichtig. Dies war der berühmte Augenblick nach der Vereinigung. Ein riskanter Moment. Bestimmte Konventionen mussten beachtet werden. Ehrlichkeit war gefährlich, aber Offenheit ein Muss. Synonyme für
Verpflichtung
und
Liebe
und
die Zukunft
hatten schon

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