Todesreigen
manchen rosigen Abend ruiniert.
Doch Carolyn ging es um keines dieser Themen. Im Geiste sah sie den schwarzen Revolver in ihrem Handschuhfach vor sich und hörte die hohe, fiebrige Stimme des Mannes, der sie beinahe entführt hätte.
»Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?«, fragte sie ihn.
Pause.
»Ich habe Autoteile verkauft. Na ja, einen Laden gemanagt. Im Moment habe ich keine Arbeit.«
»Bist du entlassen worden?«
»Allerdings, entlassen worden.« Er streckte sich, und ein Knochen knackte. »Wenn du vorbestraft bist, wirst du sofort gefeuert, sobald irgendeine Aushilfe im Postraum eine Schachtel mit Heftklammen mitgehen lässt. Du bist grundsätzlich der Hauptverdächtige. Ich bin heute zu einem Vorstellungsgespräch nach Hammond gekommen. Leider hat es nicht geklappt.«
Sie erinnerte sich an sein missmutiges Gesicht, während er an der Tankstelle telefoniert hatte.
»Kann ich
dir
eine Frage stellen?«, sagte er.
»Klar. Ich bin verheiratet, keine Kinder. Ich liebe Sex und trinke zu viel. Sonst noch was?«
»Warum wolltest du die Bullen nicht anrufen?«
Doch anstatt ihm zu antworten, fragte sie: »Warum bist du so ruhig dabei geblieben?«
Wieder zuckte er die mächtigen Schultern. »Das war nicht das erste Mal, dass jemand eine Waffe auf mich gerichtet hat. Ich kann unterscheiden, wann jemand eine Knarre auch benutzt und wann nicht. Oh, wenn dieser Knabe ein Profi gewesen wäre, hätte ich ›Auf Wiedersehen, Lady‹ gesagt und gehofft, dass die Bullen dich finden, bevor es zu spät ist.«
»Hast du jemals jemanden getötet?«
Sein Zögern beantwortete ihre Frage.
»Keine weiteren Fragen von deiner Seite, ehe du meine beantwortest«, erklärte er. »Warum keine Bullen?«
»Weil ich dir ein Geschäft vorschlagen will.«
»Was, brauchst du irgendwelche Autoteile?«
»Nein, ich will, dass du meinen Mann umbringst.«
»Lass dich von ihm scheiden«, sagte Lawrence. »Was glaubst du, wozu es Anwälte gibt?«
»Er ist ziemlich reich.«
»Wenn er dich betrügt, bekommst du die Hälfte. Vielleicht sogar mehr.«
»Na ja…«
»Oh. Er ist also nicht der einzige Schuldige.« Lawrence lachte und deutete auf das Bett, in dem sie lagen. »Offensichtlich nicht. Wer hat wen zuerst betrogen?«
»Er mich.« Dann fügte sie hinzu: »Na ja, ich hab ihn zuerst erwischt.«
»So ein Pech. Aber ich bin kein Killer. Nie gewesen.«
»Was könnte ich sagen, um dich zu überzeugen?«
»Überhaupt nichts. Über – haupt – nichts.«
»Was könnte ich
tun
, um dich zu überzeugen?« Sie ließ ihre Hände über seinen Körper gleiten und kniff ihn spielerisch in den Oberschenkel.
Er lachte.
Doch sein Lächeln verschwand, als sie sagte: »Fünfzigtausend?«
Nach kurzer Pause erklärte er: »Ich hab gesessen. Und es hat mir nicht gefallen.«
»Hunderttausend?«
Das Zögern hatte wahrscheinlich nur eine Millisekunde gedauert, doch für Carolyn war es lang genug gewesen.
»Ich glaube nicht«, sagte Lawrence.
»
Ich glaube nicht…
Das ist nicht dasselbe wie
Nein
.«
»Es ist nicht so leicht, jemanden zu töten. Gut, streng genommen
ist
es sogar relativ leicht. Nicht erwischt zu werden ist schwierig. Fast unmöglich sogar.«
Wie sooft in den Personalgesprächen im Krankenhaus – wenn die Leute, die für sie arbeiteten, mit irgendwelchen Entschuldigungen kamen, warum sie ihre Berichte nicht geschrieben oder ihre Konzepte nicht ausgearbeitet hatten – sagte Carolyn: »Ich höre
fast
. Ich höre
schwierig
. Daraus kann ich nur schließen, dass es möglich ist.«
»Hast du ihn schon mal bedroht?«
Sie zuckte die Schultern. »Einmal bin ich ihm und seiner Geliebten im Einkaufszentrum über den Weg gelaufen. Da hab ich mich vergessen. Ich hab gesagt, ich bringe sie beide um… Nein, ich glaube, ich hab gesagt, sie würden sich noch wünschen, tot zu sein, wenn ich erst mit ihnen fertig wäre.«
»Oh.«
»Ich glaube nicht, dass mich jemand gehört hat.«
»Nun«, sagte er langsam wie ein Arzt, der eine Diagnose stellt. »Du hast einen Grund, ihn zu töten. Das ist ein Problem. Du musst also einen Sündenbock finden. Du musst dafür sorgen, dass es wahrscheinlicher aussieht, dass ein anderer das Verbrechen begangen hat, obwohl du selbst ein Motiv hast. Wir brauchen…«
»Einen zweiten Verdächtigen?«
»Ja.«
Sie lächelte und drückte ihre Brüste gegen seinen Körper. »Wie einen Autodieb. Oder einen Räuber?«
»Klar.« Er ließ den Blick zur Tankstelle hinüberwandern und nickte. »Dieser Knabe
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