Todesreigen
auf einen Punkt irgendwo zwischen dem Kaninchen und Doug.
»Na los. Worauf wartest du?«
Roy wurde des vorsätzlichen Mordes für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Dennoch war er nahe daran gewesen, den perfekten Mord zu begehen. Ohne jenen schicksalhaften Zufall wäre er straflos davongekommen…
Pete betrachtete erst das Kaninchen, dann Doug.
»Willst du nicht schießen?«
Ähm, in Ordnung, dachte er.
Pete betätigte den Abzug.
Doug keuchte und legte die Hand auf das kleine Einschussloch in seiner Brust. »Aber… aber… Nein!«
Er fiel rückwärts vom Zaun und blieb reglos auf einer von getrocknetem Schlamm bedeckten Stelle liegen. Von dem Schuss aufgeschreckt, hoppelte das Kaninchen davon und verschwand in einem Gewirr von Büschen, die Pete als Brombeeren identifizierte. Mo hatte sie tonnenweise in ihrem Garten gepflanzt.
Das Flugzeug verließ seine bisherige Flughöhe und glitt langsam dem Flughafen entgegen.
Pete betrachtete die Wolken und seine Mitpassagiere, las das Magazin der Fluggesellschaft und den »Sky Mall«-Katalog. Ihm war langweilig. Er hatte sein Buch nicht dabei. Vor seinem Gespräch mit den Polizisten in Maryland über Dougs Tod hatte er
Dreieck
in eine Mülltonne geworfen.
Einer der Gründe, die zum Schuldspruch der Geschworenen führten, war die Tatsache, dass die Polizei bei einer Durchsuchung von Roys Haus verschiedene Bücher darüber gefunden hatte, wie man Spuren eines Verbrechens beseitigt. Roy konnte für diesen Fund keine zufrieden stellende Erklärung bieten…
Das kleine Flugzeug schwebte vom Himmel herab und landete auf dem White-Plains-Flughafen. Pete holte seinen Proviantbeutel unter dem Vordersitz hervor und stieg aus der Maschine. Auf der Gangway unterhielt er sich mit einer großen, schwarzen Stewardess über den Flug.
Pete sah Mo hinter der Absperrung. Sie wirkte benommen. Sie trug eine Sonnenbrille, die Pete zu der Vermutung veranlasste, dass sie geweint hatte. Mit einer Hand umklammerte sie ein Papiertaschentuch.
Er bemerkte, dass ihre Fingernägel nicht mehr leuchtend rot waren.
Auch nicht pfirsichfarben.
Sie hatten einfach die Farbe von Fingernägeln.
Die Stewardess trat auf Mo zu. »Sind Sie Mrs. Jill Anderson?«
Mo nickte.
Die Frau streckte ihr ein Blatt Papier entgegen. »Hier. Würden Sie das bitte unterschreiben?«
Benommen griff Mo nach dem Kugelschreiber, den ihr die Frau anbot, und unterschrieb das Papier.
Es war ein Formular für Minderjährige ohne Begleitung, das Eltern unterschreiben mussten, wenn sie ihre Kinder allein im Flugzeug reisen ließen. Nach der Scheidung seiner Eltern war Pete so oft zwischen seinem Dad in Wisconsin und seiner Mutter Mo in White Plains hin und her geflogen, dass er sämtliche Prozeduren der Fluggesellschaften für allein reisende Minderjährige auswendig kannte.
»Ich darf wirklich behaupten«, erklärte die Frau, während sie auf Pete hinablächelte, »dass er der besterzogene junge Mann ist, mit dem ich es je auf einem Flug zu tun hatte. Wie alt bis du, Pete?«
»Zehn«, antwortete er. »Aber nächste Woche werde ich elf.«
Sie drückte ihn. Dann wandte sie sich wieder an Mo.
»Es tut mir Leid, was passiert ist«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Der Polizist, der Pete zum Flugzeug gebracht hat, hat mir erzählt, dass Ihr Lebensgefährte bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen ist.«
»Nein«, sagte Mo und hatte Mühe, die Worte auszusprechen. »Er war nicht mein Lebensgefährte.«
Pete dagegen dachte: Natürlich war er dein Geliebter. Du wolltest nur nicht, dass das Gericht davon erfährt, weil Dad dann keinen Unterhalt mehr hätte zahlen müssen. Deshalb hatten sie und Doug sich so große Mühe gegeben, ihn davon zu überzeugen, dass Doug »nur ein Freund« war.
Darf ich keine Freunde haben? Ist das etwa verboten?
Ja, das ist es, dachte Pete. Du wirst deinen Sohn nicht so einfach abschieben, wie du Dad abgeschoben hast.
»Können wir nach Hause fahren, Mo?«, fragte er und versuchte, so traurig auszusehen wie möglich. »Mir geht’s wirklich komisch wegen dieser ganzen Sache.«
»Na klar, Schatz.«
»Mo?«, fragte die Stewardess.
Mo starrte zum Fenster hinaus und sagte: »Ich heiße Jill. Aber als Pete fünf war, hat er versucht,
mother
auf meine Geburtstagskarte zu schreiben. Er hat es nur bis MO geschafft, danach wusste er nicht weiter. So habe ich diesen Spitznamen bekommen.«
»Was für eine süße Geschichte«, sagte die Frau und sah aus, als würde
sie
jeden Moment
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