Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
furchtbarer Wettkampf im Gange war.
    Ein junger Mann kämpfte leidenschaftlich mit Sir Murtaugh. Der Peer focht beachtlich, doch er trug die pompöse und schwerfällige Kleidung, die derzeit bei Hofe in Mode war – etwas im türkischen Stil, mit vergoldeter Robe und einem gefiederten Turban. Wegen dieser hinderlichen Kleidung verlor er gegen den jungen Halsabschneider an Boden. Gerade als der Raufbold ausholte, um dem Ritter einen entscheidenden Stoß zu versetzen, rief der Constable: »Stoppt sofort diesen Kampf! Legt Eure Waffen nieder!«
    Was vielleicht zu einem friedlichen Ende geführt hätte, wandelte sich in unerwartetes Leid, als Sir Murtaugh, durch den Ruf des Constables irritiert, seinen parierenden Arm sinken ließ und zu der Stimme aufblickte.
    Der Angreifer setzte seinen Ausfall fort, und sein Schwert traf den armen Ritter in die Brust. Der Hieb durchstieß zwar nicht sein Wams, doch Sir Murtaugh taumelte rückwärts gegen ein Geländer. Das Holz gab nach, so dass der Mann zwölf Meter tief auf die Steine stürzte. Eine Schar von Schwänen schreckte auf, als sein Körper über das Ufer ins Wasser rollte und unter der trostlosen Oberfläche verschwand.
    »Nehmt ihn fest!«, rief der Constable, und die drei Amtsdiener traten auf den verwirrten Raufbold zu, den Red James mit einem Knüppel niederschlug, ehe er fliehen konnte. Der Mörder sank ohnmächtig zu ihren Füßen zu Boden.
    Dann kletterten die Amtsdiener eine Leiter hinunter zum Ufer. Doch von Sir Murtaugh war nicht die geringste Spur zu finden.
    »Ein Mord ist geschehen! Und noch dazu in meinem Amtsbereich«, sagte der Constable mit grimmiger Miene, obwohl er in Wirklichkeit bereits die Aussicht auf Belohnung und Berühmtheit genoss, die seine prompte Festnahme des Schurken ihm einbringen würde.
    Jonathan Bolt, dem Obersten Ankläger der Krone, einem arthritischen, kahlen Mann von vierzig Jahren, wurde die Ehre zuteil, Charles Cooper wegen des Mordes an Robert Murtaugh vor Gericht zu stellen.
    Um zehn Uhr morgens am Tag, nachdem Murtaughs Leiche aus der Themse gefischt worden war, saß Bolt in seinem zugigen Amtszimmer nahe beim Whitehall-Palast und gab sich dem Gedanken hin, dass ein Verbrechen wie der Mord an einem Schwein vom Schlage Murtaughs eigentlich kaum die Mühe einer gerichtlichen Verfolgung wert war. Doch war der Adel dringend auf Schurken wie Murtaugh angewiesen, die ihnen die Folgen ihrer eigenen Dummheit und Verschwendungssucht ersparten. Folglich war Bolt angewiesen worden, an dem Weinhändler Charles Cooper ein Exempel zu statuieren.
    Außerdem war der Ankläger dringend ermahnt worden, den Fall auf eine Art und Weise zu behandeln, die Murtaughs belastende Geschäftsverbindungen nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen lassen würde. Deshalb war auch beschlossen worden, Cooper nicht vors Strafgericht zu stellen, sondern vor die Star Chamber, eine nicht öffentliche Gerichtskammer, die auf Seine Königliche Hoheit Heinrich VIII. zurückging.
    Die Star Chamber hatte nicht die Befugnis, einen Mann zum Tode zu verurteilen. Trotzdem, so dachte Bolt, würde ein angemessenes Urteil gefunden werden. Nach einem Schuldspruch gegen den Halsabschneider würden die Mitglieder der Star Chamber sicherlich beschließen, dass man Cooper die Ohren abschnitt, ihn mit einem heißen Eisen brandmarkte und dann verschiffte, verbannte, wahrscheinlich nach den Amerikas, wo er den Rest seines Lebens als heruntergekommener Bettler verbringen müsste. Seine Familie würde jeglichen Besitz, über den er verfügte, verlieren und auf die Straße gesetzt werden.
    Die unausgesprochene Lektion wäre deutlich: Legt Euch nicht mit denen an, die de facto Beschützer des Adels sind.
    Nachdem er den Constable und den Zeugen des Vorfalls – einen Lakaien namens Henry Rawlings – befragt hatte, verließ Bolt sein Amtszimmer und machte sich auf den Weg zum Regierungssitz in Westminster.
    In einem tief in den Eingeweiden des Gebäudes versteckten Vorzimmer wartete ein halbes Dutzend Anwälte mit ihren Klienten darauf, vor den Richterstuhl zu treten. Doch Coopers Fall war an die Spitze der Tagesordnung gesetzt worden, so dass Jonathan Bolt an allen anderen vorbei direkt die Star Chamber betreten durfte.
    Der düstere Raum in der Nähe des Geheimen Rates war viel kleiner und bescheidener, als sein berüchtigter Ruf es vermuten ließ. Er war schlicht, und seine einzige Dekoration bestand in Kerzen zur Beleuchtung, einem Porträt Ihrer Majestät und, an der Decke, den

Weitere Kostenlose Bücher