Todesreigen
irgendwelche Interessen?«
»Die Frauen und das Geld anderer Männer«, entgegnete Hal.
»Was wisst Ihr noch?«
»Wie ich schon sagte, ist er ein guter Fechter oder hält sich wenigstens dafür. Außerdem ist er gern mit den Hunden auf der Jagd, sobald er London verlässt und sich aufs Land zurückzieht. Er ist berauscht vom Stolz. Man kann ihm nicht genug schmeicheln. Und er ist ständig bemüht, Mitglieder des Hofes zu beeindrucken.«
»Wo wohnt er?«
Stout und Hal schwiegen, offensichtlich besorgt wegen der tödlichen Entschlossenheit ihres Freundes.
»Wo?«, beharrte Charles.
Hal seufzte und wedelte mit der Hand, um eine Rauchwolke von Stouts Pfeife zu verscheuchen. »Dieses Kraut riecht ziemlich übel.«
»Wahrhaftig, mein Herr, ich finde es beruhigend.«
Schließlich wandte sich Hal an Charles: »Er besitzt nur eine Wohnung, die allenfalls zu einem Mann im Range eines Gesellen passen würde und die viel kleiner ist, als seine Prahlereien sie erscheinen lassen. Doch sie liegt nahe beim Strand, und die Umgebung lässt ihn regelmäßig mit Männern zusammentreffen, die mächtiger und reicher sind als er. Ihr werdet die Wohnung in Whitefriars finden, nahe beim Ufer.«
»Und wo verbringt er seine Tage?«
»Ich weiß es nicht sicher, aber da er sich wie ein Hund unter dem Tisch des Hofes gebärdet, würde ich vermuten, dass er täglich zum Palast in Whitehall rennt, um sämtliche Brocken von Gerüchten und Intrigen zu verschlingen, die er nur eben finden kann. Wahrscheinlich auch jetzt, da die Königin sich in Greenwich aufhält.«
»Wenn dem so ist, wo führt ihn der Weg von seiner Wohnung zum Palast entlang?« Charles wandte sich mit seiner Frage an Stout, der sich dank seiner Geschäfte in den labyrinthischen Straßen Londons gut auskannte.
»Charles«, begann Stout. »Ich mag es nicht, was Ihr da andeutet.«
»Welche Strecke?«
Widerstrebend antwortete der Mann: »Zu Pferd dürfte er den Uferweg erst westlich und dann, an der Flussbiegung, Richtung Süden nach Whitehall einschlagen.«
»Wisst Ihr, welche Piers auf diesem Weg am einsamsten liegen?«, fragte Charles.
Stout erwiderte: »Der am wenigsten benutzte Kai dürfte Temple Wharf sein. Da die Juristenwohnhäuser an Zahl und Größe zugenommen haben, gibt es in der Gegend weniger Warenlager als früher.« Spitz fügte er hinzu: »Er liegt außerdem in der Nähe der Stelle, wo Häftlinge in Höhe des Wasserspiegels angekettet und den Gezeiten ausgesetzt werden. Vielleicht solltet Ihr Euch nach Eurer Tat selbst dort anketten, Charles, und dem Ankläger der Krone einen Tag Arbeit ersparen.«
»Lieber Freund«, begann Hal, »ich bitte Euch, legt alle finsteren Pläne, die Euer Herz hegen mag, beiseite. Ihr könnt nicht…«
Doch seine Worte erstarben unter dem unerschütterlichen Blick ihres Freundes, der vom einen zum anderen seiner Kameraden blickte und erklärte: »So wie ein Brand in einem kleinen Haus das Strohdach der Nachbarn erfasst und seinen vernichtenden Weg fortsetzt, bis die ganze Häuserreihe zerstört ist, so sind viele Leben durch den Tod meines Vaters zu Asche verbrannt worden.« Charles hob die Hand und zeigte ihnen den Siegelring, den Marr ihm gestern gegeben hatte. Sein Gold fing das Licht von Hals Laterne ein und schien zu brennen von all dem Zorn in Charles’ Herzen. »Ich kann nicht weiterleben, ohne die abscheuliche Alchimie zu rächen, die von einem feinen Mann nichts übrig gelassen hat als dieses armselige Stück Metall.«
Hal und Stout wechselten Blicke. Schließlich sagte der Größere von beiden zu Charles: »Euer Wille steht fest, so viel ist klar. Wahrhaftig, lieber Freund, wie immer Eure Entscheidung ausfallen wird, wir werden Euch zur Seite stehen.«
Hal fügte hinzu: »Und was mich betrifft, so werde ich für Margaret und Eure Kinder sorgen – wenn es denn so weit kommen sollte. Es wird ihnen an keiner Hilfe fehlen, die ich ihnen mit meinen Mitteln bieten kann.«
Charles umarmte beide und sagte heiter: »Nun, Gentlemen, wir haben die Nacht noch vor uns.«
»Wohin sollen wir gehen?«, fragte Stout mit leichtem Unbehagen. »Ich hoffe doch, Ihr habt für heute Abend keinen Mord im Sinne?«
»Nein, guter Freund, es wird eine Woche oder zwei dauern, bis ich bereit bin, dem Schurken entgegenzutreten.« Charles fischte in seiner Geldbörse herum und fand Münzen in ausreichender Zahl für das, was er für den Abend vorhatte. »Ich bin in der Stimmung, ein Stück anzusehen und anschließend unseren Freund Will
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