Todesreigen
Worte.«
»Wessen Worte waren es dann?«
Cooper warf seinem Anwalt einen Blick zu, der sich daraufhin erhob und sagte: »Bitte, meine Herren, wir haben einen Zeugen, dessen Aussage den hier verhandelten Vorfall betrifft. Wenn das hohe Gericht es gestattet, möchte ich William Shakespeare vortreten lassen.«
Ah ja, dachte Bolt.
Er
also war der Zeuge: der bekannte Stückeschreiber und Direktor der
Lord-Chamberlain’s-Men
Theatergruppe. Bolt hatte selbst einige Stücke des Mannes im Rose und im Globe gesehen. Was ging hier vor? Der Schriftsteller trat in den vorderen Teil des Gerichtssaales.
»Master Shakespeare, schwört Ihr den Eid vor unserem Heiligen Herren, dass Eure Aussage hier ehrlich und wahrhaftig sein wird?«
»Das bekräftige ich, mein Herr.«
»Was habt Ihr zu sagen, das diesen Fall betrifft?«
»Bitte, Großkanzler, ich bin hier, um die Aussage, die Ihr zuvor gehört habt, zu bekräftigen. Vor einigen Wochen kam Charles Cooper zu mir und sagte, er hätte den Beruf des Schauspielers schon immer geliebt und seit langem den Wunsch verspürt, es einmal auf der Bühne versuchen zu dürfen. Ich ließ ihn etwas für mich rezitieren und erkannte, dass er einige Passagen, die ich selbst erfunden habe, mit außerordentlicher Anmut vortrug.
Ich sagte ihm, dass ich zu der Zeit keinen Platz für ihn frei hätte, gab ihm aber Teile eines Entwurfs des Dramas, an dem ich im Moment arbeite, und trug ihm auf, sie zu üben. Ich versicherte ihm, dass ich eine Rolle für ihn finden würde, wenn der Hof im Herbst zurückkehrt.«
»Was
genau
hat das mit unserem Fall zu tun, Master Shakespeare?«
Aus einem Lederbeutel zog der Stückeschreiber ein großes Bündel beschriebenes Pergament hervor. Er las:
»Cassio tritt auf… RODERIGO: ›Ich kenne seinen Schritt, er ist es. Schurke, du stirbst! …‹ Roderigo führt einen Stoß gegen Cassio zu… CASSIO zieht seine eigene Waffe und verwundet Roderigo… RODERIGO: ›Oh, ich bin erschlagen! …Jago verwundet von hinten Cassio am Bein und geht ab
.
CASSIO: ›Ich bin für immer verstümmelt. Hilfe, he! Mord! Mord!‹«
Shakespeare schwieg und beugte den Kopf. »Meine Herren, so lauten meine bescheidenen Worte.«
»›Schurke, Ihr sollt sterben… Hilfe! Mord! …‹ Aber das«, stellte der Großkanzler fest, »sind, mit leichten Abwandlungen, genau die Worte, die der Zeuge vom Gefangenen und Sir Murtaugh gehört hat. Sie stammen aus einem Eurer Stücke?«
»Ja, mein Herr, das tun sie. Es ist bislang unveröffentlicht, und ich arbeite noch an der endgültigen Fassung.« Shakespeare legte eine Pause ein, dann fuhr er fort: »Dies wird das Stück sein, das ich Ihrer Hoheit der Königin zu ihrem Vergnügen versprochen habe, wenn sie und der Hof im Herbst zurückkehren.«
Ein Mitglied des Geheimen Rats runzelte die Stirn und fragte: »Ihr steht, wenn ich mich nicht irre, sehr hoch in der Gunst der Königin?«
»In aller Bescheidenheit, Sir, ich bin nur ein einfacher Stückeschreiber. Aber ich darf ohne Übertreibung sagen, dass Ihre Hoheit von Zeit zu Zeit Äußerungen des Vergnügens über mein Werk verlauten ließ.«
Heiliger Strohsack, dachte der Ankläger. Shakespeare erfreute sich
tatsächlich
der Gunst der Königin. Dieser Umstand war allgemein bekannt. Es gingen Gerüchte, dass Ihre Hoheit seine Schauspieltruppe in den nächsten ein, zwei Jahren zur einzig offiziellen königlichen Truppe ernennen könnte. Der weitere Verlauf des Verfahrens war nun klar: Cooper schuldig zu sprechen, das würde bedeuten, dass die Richter Shakespeares Zeugnis als unwahr abtaten. Die Königin würde davon erfahren, was nicht ohne Konsequenzen bliebe. Bolt erinnerte sich an eine Redensart: »Stehen hundert Herzöge gegen eine Königin, so bleiben am Ende hundert Särge zurück.«
Der Großkanzler drehte sich zum Rest des Geheimen Rates um. Nachdem sie sich noch einmal besprochen hatten, verkündete er: »Im Licht der vorgebrachten Beweise entscheidet dieser Gerichtshof, dass der Tod von Sir Robert Murtaugh durch niemandes Absicht verursacht wurde und dass es Charles Cooper hiermit freisteht, ungehindert und ohne jeden Makel einer weiteren Anschuldigung in dieser Sache zu gehen.«
Er bedachte den Ankläger mit einem strengen Blick. »Und, Sir Jonathan, sofern es Euch nicht allzu stark beansprucht, möget Ihr dem Gericht in Zukunft die Ehre erweisen, das Beweismaterial wenigstens zu
prüfen
und den Angeklagten zu befragen,
bevor
Ihr geruht, die Zeit dieses Gerichtes zu
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