Todesreigen
ihm keine einzige Frage zu stellen.
Schließlich ließ Bolt den Constable aufstehen, in den Zeugenstand treten und mehr oder weniger die gleiche Geschichte erzählen. Als er fertig war, verzichtete Coopers Anwalt wiederum auf eine Befragung des Zeugen.
Bolt erklärte: »Ich habe nichts weiter vorzubringen, um den Fall der Krone darzulegen, meine Herren.« Er setzte sich.
Der Verteidiger erhob sich und sagte: »Wenn das noble Gremium es gestattet, möchte ich nun den Gefangenen den Vorfall darlegen lassen. Dann werden die hervorragendsten Kanzler und ehrwürdigsten Richter ohne Zweifel zu dem Schluss gelangen, dass es sich hier um nichts weiter handelt als ein ungeheuerliches Missverständnis.«
Die Männer auf der Richterbank betrachteten sich gegenseitig voller Ironie. Dann nahm der Großkanzler Charles Cooper den Eid ab.
Einer der Richter des Obersten Gerichtshofs fragte: »Was sagt Ihr zu diesen Vorwürfen?«
»Dass sie, mein guter Herr, auf einem Irrtum beruhen. Sir Murtaughs Tod war ein tragischer Unfall.«
»Unfall?«, fragte ein Mitglied des Geheimen Rats lachend. »Wie könnt Ihr von einem ›Unfall‹ reden, wenn Ihr einen Mann mit dem Schwert angegriffen habt und er zu Tode gestürzt ist? Vielleicht ist sein Tod unmittelbar durch die Steine am Ufer hervorgerufen worden, doch die auslösende Gewalt ging von Eurem Stoß aus, der ihn Hals über Kopf auf diese harten Steine befördert hat.«
»Ja«, fügte ein anderer hinzu. »Ich möchte behaupten, dass, wäre der unglückliche Mr. Murtaugh nicht gestürzt, Ihr ihn aufgespießt hättet wie einen Eber.«
»Mit allem Respekt, mein Herr, möchte ich behaupten: Nein, ich hätte ihn in keinster Weise verletzt. Denn wir haben nicht gekämpft; wir haben geübt.«
»Geübt?«
»Ja, mein Herr. Ich hege das Ziel, ein Schauspieler am Theater zu werden. Mein Beruf ist, wie Ihr gehört habt, der eines Weinhändlers. Ich war am Temple Wharf, um die Lieferung eines Rotweins aus Frankreich abzuwickeln. Da ich noch freie Zeit hatte, wollte ich einen Ausschnitt aus einer Theaterrolle probieren, in der auch ein Schwertkampf vorkommt. Ich war damit beschäftigt, als Sir Murtaugh auf seinem Weg zum Whitehall-Palast zufällig vorbeikam. Er ist – leider sollte ich wohl sagen, er
war
– ein ausgezeichneter Fechter. Nachdem er mich einen Moment beobachtet hatte, erklärte er mir, was leider auch stimmt, dass mein Talent mit dem Schwert ziemlich begrenzt ist. Wir kamen ins Gespräch, und ich sagte, dass ich, wenn er sich dazu herablassen könnte, mir ein paar echte Angriffe und Paraden zu zeigen, mich dafür verwenden würde, ihm eine kleine Rolle auf der Bühne zu verschaffen. Diese Idee schien ihn zu faszinieren, und er bot mir an, von seiner außerordentlichen Erfahrung in Duellen zu profitieren.« Der Gefangene richtete die Augen auf den Constable. »Alles wäre gut ausgegangen, hätte dieser Mann uns nicht gestört und Sir Murtaugh aus dem Tritt gebracht. Ich habe mit dem Schwert kaum sein Wams berührt, höchster Kanzler, aber er machte einen Schritt zurück gegen das Geländer, das tragischerweise locker war. Was mich betrifft, so bin ich von Herzen traurig über das Dahinscheiden des guten Mannes.«
Darin lag eine gewisse Logik, dachte der Ankläger Bolt grimmig. Er hatte sich in den Stunden vor der Verhandlung ein wenig über Cooper informiert. Es stimmte, dass er gern die Theater südlich der Themse besuchte. Außerdem konnte er kein echtes Motiv für den Mord entdecken. Cooper gehörte einer Zunft an und hatte keinen Anlass und keine Neigung zur Räuberei. Sicherlich war ein großer Teil Londons glücklich über den Tod eines Rüpels wie Murtaugh. Da der Adel jedoch eine schnelle Abwicklung des Falles gewünscht hatte, war Bolt nicht die Zeit geblieben, nach einer möglichen früheren Verbindung zwischen Cooper und Murtaugh zu forschen.
Was den Ritter betraf, so wusste jeder, dass er eitel wie ein Pfau gewesen war. Der Gedanke, auf eine Bühne zu klettern und sich vor Mitgliedern des Hofes aufzuplustern, hätte ihm zweifellos behagt.
Aber selbst wenn Cooper die Wahrheit sagte, würde der Adel Murtaughs Mörder bestraft sehen wollen, egal, ob sein Tod nun ein Unfall gewesen war oder nicht. Und tatsächlich wirkten die fünf Männer auf der Richterbank nicht sonderlich beeindruckt von den Worten des Gefangenen.
Cooper fuhr fort: »Diese zornigen und drohenden Worte, von denen der Lakai eben gesprochen hat, meine Herren, das waren nicht meine
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