Todesreigen
vergeuden.«
»Das werde ich tun, mein edler Herr.«
Einer der Richter beugte sich vor und nickte in Richtung des Bündels, das der Stückeschreiber eben zurück in den Beutel steckte, und fragte: »Darf ich fragen, Mr. Shakespeare, welchen Titel das Stück erhalten wird?«
»Ich weiß nicht sicher, mein Herr, wie der endgültige Titel lauten wird. Im Augenblick nenne ich es ›Othello, der Mohr von Venedig‹.«
»Und darf ich nach Eurer Zeugenaussage, die wir eben gehört haben, davon ausgehen, dass das Publikum sich auf ein paar ordentliche Schwertkämpfe freuen kann?«
»Oh ja, mein Herr.«
»Gut. Solche Stücke ziehe ich Euren Komödien bei weitem vor.«
»Wenn Ihr mir die Verwegenheit gestattet, Sir: Ich glaube, Ihr werdet Eure Freude an dem Stück haben«, erklärte William Shakespeare und begleitete Cooper und seine Frau aus dem düsteren Raum hinaus.
Am selben Abend, kurz vor dem Anzünden der Laternen, saßen drei Männer im »Unicorn & Bear« in Charing Cross vor ihren Bierhumpen: Charles Cooper, Stout und William Shakespeare.
Ein Schatten erfüllte den Türrahmen, als ein weiterer Mann hinzukam.
»Seht! Das ist der geheimnisvolle Herr vom Kai«, sagte Charles.
Hal Pepper gesellte sich zu ihnen und ließ sich ebenfalls ein Bier bringen.
Charles hob seinen Bierhumpen: »Das hab Ihr gut gemacht, mein Freund.«
Hal trank einen kräftigen Zug und nahm das Kompliment mit einem stolzen Nicken zur Kenntnis. Seine Rolle in dem gewagten Stück, das William Shakespeare und Charles Cooper gemeinsam verfasst hatten, war von entscheidender Bedeutung gewesen. Nachdem Charles Sir Murtaugh auf dem Kai angehalten und, wie er vor Gericht ausgesagt hatte, dessen Interesse mit dem Versprechen eines Bühnenauftritts angestachelt hatte, war es Hals Aufgabe gewesen, sich im richtigen Augenblick einen Passanten zu schnappen, der den Dialog zwischen Charles und Murtaugh zu Beginn ih-res gespielten Duells mit anhören würde. Hal hatte dem Lakaien Rawlings anschließend einen halben Sovereign, also zehn Shilling, dafür gezahlt, dass er Alarm beim Constable schlug, den der meisterhafte Verschwörer Shakespeare unbedingt als Zeugen des Duells dabeihaben wollte.
Shakespeare musterte Charles gründlich und sagte: »Was Eure Vorstellung vor Gericht betrifft, mein Freund, so braucht Ihr als Schauspieler noch ein wenig Übung, aber alles in allem«– der Mann aus Stratford konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen –»würde ich die Äußerung wagen, dass Ihr den Kopf ganz passabel
aus der Schlinge gezogen
habt.«
Will Shakespeare flocht in seine Unterhaltung gern kleine Abschweifungen ein, die ihm seine geliebten Wortspiele erlaubten. Doch auch Charles Cooper war das Spiel mit Worten nicht fremd. Er parierte: »Ah, doch ist es leider wahr, mein Freund, dass meine Begabung im
Zeugenstand
sich nicht mit der Gabe Eurer Worte messen kann, uns in den Tavernen stets aus dem Stand zu
über
zeugen.«
»Touché«, rief Shakespeare, und die Männer lachten ausgelassen.
»Und nun auf Euch, mein Freund!« Charles stieß seinen Krug gegen den von Stout.
Die Aufgabe des kräftigen Mannes war es gewesen, die Werkzeuge, mit denen er sonst seine Fässer herstellte, so geschickt einzusetzen, dass das Geländer am Temple Wharf zwar nicht unter der zufälligen Berührung durch ein Paar Hände nachgab, wohl aber in sich zusammenbrach, sobald Murtaugh dagegenstolperte.
Stout war mit Worten nicht so flink wie Shakespeare oder Charles und versuchte es erst gar nicht mit einer klugen Entgegnung. Die Freude über die Anerkennung ließ ihn einfach knallrot anlaufen.
Dann umarmte Charles den Dichter. »Aber Ihr, Will, Ihr wart das Fundament des Ganzen.«
Shakespeare erwiderte: »Euer Vater hat sich mir und meiner Familie gegenüber als guter Mann erwiesen. Ich werde mich stets mit Freude an ihn erinnern. Ich bin froh, eine kleine Rolle bei der Rache für seinen Tod gespielt zu haben.«
»Was kann ich tun, um Euch die Risiken und die Mühen, die Ihr meinetwegen auf Euch genommen habt, zu vergelten?«, fragte Charles.
Der Stückeschreiber antwortete: »Das habt Ihr bereits getan. Ihr habt mir das nützlichste Geschenk zuteil werden lassen, das man einem Lehrling des Schreiberhandwerks bereiten kann.«
»Was könnte das sein, Will?«
»Inspiration. Unsere Verschwörung war die Hebamme für ein Sonett, das ich gerade vor einer Stunde beendet habe.« Er zog ein Stück Papier aus seiner Jacke. Dann schaute er zwischen den versammelten Männern
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