Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
war, könnte es sich auch um eine große Frau handeln. Er hat sich gewehrt und versucht, mit den Händen das Kabel zu lockern. Einige Fingernägel sind abgebrochen, Abschürfungen an den Fingerkuppen. Wir haben aber keine fremde DNA gefunden.“
„Der Mörder erdrosselt also sein Opfer, schleift es wenige Meter zum Baum und hängt ihn mit der Schlinge auf. Dann nimmt er den Hund und geht seelenruhig von dannen. Was ist das für ein Mensch?“ Simon verzog bei dieser Vorstellung sein Gesicht. „Auch wenn ihn oder sie jemand dabei beobachtet hat, wie er mit dem Hund geht, das allein ist ja im oder am Wald nichts Außergewöhnliches. Wird sich wahrscheinlich auch niemand etwas dabei gedacht haben.“
„Er spielt mit uns.“ Reiser starrte nachdenklich vor sich hin. „Der Mörder wollte unbedingt, dass wir das zweite Gedicht finden, also kam er auf die glorreiche Idee, es am Hund zu befestigen.“
„Krank“, warf Seifert verächtlich ein.
„Auf jeden Fall eine gestörte Persönlichkeit, die es eigentlich darauf anlegt, geschnappt zu werden, oder die sich ihrer Sache so sicher ist, dass sie meint, uns immer einen Schritt voraus zu sein“, bemerkte Maike.
„Also kommt für den Mord“, Simon trat erneut an die Tafel, „jeder, der hier steht, infrage. Außer vielleicht Viktoria Stein, denn eine Verbindung von Enzo Rossi zu ihr ist uns nicht bekannt. Aber es kann durchaus eine bestehen, wir wissen es halt nur noch nicht. Keiner von ihnen hatte für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi. Sebastian Witt steht auch hier ganz oben auf der Liste der Hauptverdächtigen.“
„Wir sollten ihn verhaften.“ Reisers Laune war auf dem Nullpunkt. „Schließlich gibt es genügend Zeugen, die seinen tätlichen Angriff auf Enzo Rossi am Samstagabend beobachtet haben. Es läuft alles auf ihn hinaus. Er bedroht und beschimpft ihn, und pah, Sonntagabend ist Rossi tot. Welch ein Zufall.“
„Aber warum sollte er Christoph Stein ermorden? Die zwei waren Freunde. Das passt einfach alles nicht.“ Maike räusperte sich.
„Entschuldige, Maike, wir haben dich schon wieder unterbrochen“, sagte Simon reumütig.
„Ich komme dann auch schon zum Schluss“, erwiderte Maike. „Tom, machst du weiter?“ Tom erhob sich von seinem Stuhl und räusperte sich.
„Das einzig Verwertbare, was von der Spurensicherung am Tatort sichergestellt wurde, ist dieser kleine Ohrstecker.“ Er hob die Plastiktüte mit dem Gegenstand in die Höhe. Auf dem Projektor zeigte er das vergrößerte Bild des Schmuckstückes. „Doch ob es eine Verbindung zum Mord gibt, wissen wir natürlich nicht, nur dass es in unmittelbarer Nähe des Opfers gefunden wurde.“ Er machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter: „Es handelt sich um ein sehr altes Stück und ist von beträchtlichem Wert. Wir schätzen ihn auf etwa hundert Jahre.“
„Vielleicht ein Erbstück?“
„Mit Sicherheit. Der Tote hatte keine Ohrlöcher, also kann es durchaus sein, dass er dem Mörder während des Kampfes einen Ohrstecker herausgerissen hat. Ist möglich. Die andere Variante ist die, dass er von einem völlig Unbeteiligten verloren wurde, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat.“
„Na, klasse.“ Rosa Schmidts Geduld schien am Ende. „Wenn, einfach mal angenommen, dieser Ohrstecker dem Mörder gehörte, ist unser Mörder dann weiblich?“
Tom lächelte.
„Nicht unbedingt, Frau Schmidt. Die jungen Männer tragen heutzutage auch Ohrschmuck, obwohl …“ Er brach ab und blickte auf das Foto. „Diese Art von Schmuck würde ich eher an einem weiblichen Wesen vermuten. Aber“, er hob seine Hände, „alles ist möglich.“
Simon stand auf und drehte sich zu den Leuten.
„Okay, machen wir Schluss für heute, ich erwarte eure Berichte. Die Aufgaben sind verteilt. Ich brauche Ergebnisse. Reiser und ich nehmen uns Hoffstedt vor. Seifert bearbeitet unter anderem den Waldbrand und vielleicht lässt sich ja auch noch etwas über das Schmuckstück in Erfahrung bringen.“
Erleichtert, der saunaähnlichen Luft in diesem Zimmer endlich entkommen zu können, erhoben sich die Beamten und machten sich schleunigst auf in Richtung Tür.
„Momang, Momang. Nit esu flöck, leev Lück! Alle Mann zurück, ävver flöck! Hauptkommissär Hachenberch!“ Empört sprang Rosa Schmidt auf. „Ich habe da draußen eine ganze Horde an Pressehyänen, die mich und Sie lynchen wollen. Denen muss ich ein paar Häppchen zuwerfen. Also können wir noch mal kurz auf die Geiselnahme und die
Weitere Kostenlose Bücher