Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
aber nichts. „Ich habe ihm nur von dem Mord an Christoph Stein erzählt, habe ihm gesagt, dass ihr überall rumschnüffelt und wir das Zeug aus dem Studio schaffen müssten. Ich wollte nicht, dass mein Bruder da mit reingezogen wird.“ Es klang aufrichtig, seine weiteren Worte schienen dies zu bestätigen: „Hören Sie, mein Bruder hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Halten Sie ihn da raus. Er ist ein Guter, verstehen Sie.“
„Okay, okay, er ist ein Guter, wir haben es verstanden.“ Reisers Grinsen wurde breiter.
Hoffstedt schaute ihn mit verachtungsvollem Blick an. Natürlich hatte er die Ironie in der Stimme des Polizisten erkannt.
„Eine Frage noch“, ging Simon dazwischen, bevor der Mann vollkommen dichtmachen würde. „Hat Lorenzo, ich meine Mario, hat er Ihnen irgendwann einmal gegenüber erwähnt, wo er hin wollte? Denken Sie nach, vielleicht fällt Ihnen ja etwas ein.“ In Simons Gesicht zeigte sich der Frust, der sich langsam in ihm breitmachte. Das Verhör hatte sie keinen Schritt weitergebracht. „Es könnte auch schon etwas zurückliegen, überlegen Sie, Mann.“
Rainer Hoffstedt überlegte. Sein ganzer Körper war angespannt. Sie sahen ihm an, wie sein Gehirn auf Hochtouren arbeitete, denn er wollte unbedingt, dass Mario geschnappt würde. Nichts schien ihm in diesem Moment wichtiger, auch wenn es bedeutete, dass er den Bullen helfen würde.
„Scheiß drauf. Aber es ist nicht viel und ich habe auch keine Ahnung, ob Ihnen das hilft.“ Ängstlich und einen Tick zu theatralisch blickte er sich um, so als ob er nicht wollte, dass ihm jemand zuhörte. Die folgenden Worte sprach er so leise, dass Reiser und Simon ihn kaum verstehen konnten. „Er sagte mir wortwörtlich, er würde ins Paradies fahren, wenn er ganz viel Kohle zusammen hätte. Daraufhin habe ich ihn gefragt, wo denn dieser wunderbare Ort wäre und ob ich dort auch hinfahren könnte. Er lachte mich aus und sagte: Mein Paradies ist noch lange nicht dein Paradies.“ Prustend vor Lachen lehnte sich Hoffstedt zurück. „Sorry Leute, aber ihr seid einfach zu blöde. Glaubt mir, ich würde es euch sagen, wenn ich es wüsste. Das mit dem Paradies stimmt übrigens, aber ich habe keine Ahnung, wo das sein könnte.“
„Das ist echt schade, Herr Hoffstedt.“ Simon und Reiser erhoben sich. Reiser gähnte. Er war zu müde, um diesem aufgeblasenen Kerl den Marsch zu blasen. Das musste warten. „Ihr guter Bruder ist draußen, mit Ihrem Anwalt“, sagte er daher nur kurz angebunden. „Sagen Sie uns Bescheid, wenn Ihnen doch noch etwas einfallen sollte.“ Daraufhin verließen Reiser und Simon das Zimmer.
F rau Schneider an der Rezeption in der Altersresidenz Sonnengarten telefonierte, als Reiser am nächsten Tag durch den Haupteingang trat. Er hatte wie ein Toter geschlafen, kein Erdbeben, keine Explosion oder Donnerwetter hätte ihn wecken können, doch ausgeruht fühlte er sich trotz allem nicht. Die Ermittlungen drehten sich im Kreis, ihr peinliches Versagen bei der Geiselnahme und das Vorgeführtwerden der Polizei durch diesen Verbrecher erfüllten ihn mit Zorn. Da er Frau Schneider bei ihrem Telefonat nicht stören wollte, machte er es sich in einem Sessel in der Nähe des Eingangs bequem.
Sein Blick schweifte durch den Raum. Wie schon bei ihrem ersten Besuch bewunderte er die Helligkeit und Gemütlichkeit dieser Anlage. Würde er auch, wenn er alt wäre, in solch einer Residenz leben? Trotz aller Behaglichkeit, die dieses Haus ausstrahlte, hoffte er es nicht. Auch würde er dafür sorgen, dass seine Mutter bei ihm bleiben könnte, denn sie würde das Haus, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hatte, schmerzhaft vermissen und nicht einen Tag in einem Heim überleben. Da war er sich ganz sicher. Sie hatte ja ihn, aber wen hatte er, wenn es einmal so weit wäre …
Er war kinderlos, noch nicht einmal verheiratet. Seine Gedanken schweiften viele Jahre zurück, zu dem Mädchen, das er heftig geliebt hatte. Sie waren beide erst 20 Jahre alt gewesen, noch so furchtbar jung. Doch mit ihr hätte er sich ein gemeinsames Leben vorstellen können. Und dann war sie verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds. Niemals mehr hatte er sich verliebt, er hatte sein Herz verschlossen und sich seiner Karriere gewidmet. Bis jetzt!
Maike , dachte er. Sie hatte viel Ähnlichkeit mit Peggy. Vielleicht wäre seine frühere Freundin so wie Maike heute, wenn es sie irgendwo noch gäbe. Niemand wusste, was mit ihr geschehen war. Die letzten Tage vor
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